23.05.2021

Torsten Krebs – Tagsüber allein im Museum

Der Automobil-Fotograf Torsten Krebs hatte die einmalige Gelegenheit, tagsüber im menschenleeren »Automuseum Dr. Carl Benz« zu fotografieren. In diesem Beitrag teilt er seine Eindrücke und zeigt ganz besondere Aufnahmen.

Torsten Krebs beim Shooting im »Automuseum Dr. Carl Benz«

Gearbeitet wurde mit folgendem Equipment:

Episch und surreal

Der Moment war episch und surreal zugleich. Der Schlüssel dreht sich im Schloss, die Tür öffnet sich. Mir steigt ein bekannter und geliebter Geruch von altem Leder, Blech und Gummi in die Nase. Und dann erhasche ich den ersten Blick. Der Patent-Motorwagen VELO von 1898 fällt mir zuerst ins Auge und erinnert mich daran, dass ich hier die Meilensteine der Automobilgeschichte vor mir habe. Hier hat er selbst gearbeitet, der Erfinder des Automobils, Dr. Carl Benz. In den Hallen seiner historischen Fabrik in Ladenburg. Ich trete zusammen mit meinem Assistenten Matthias Schuler (@schuler.ma) ein, und es wirkt fast wie immer – das Sonnenlicht durchflutet das großzügige Gebäude und über hundert Zeitzeugen der automobilen Vergangenheit warten auf ihre Bewunderung.

Aber etwas ist anders. Es ist ungewöhnlich kalt im Automuseum Dr. Carl Benz. Und ungewöhnlich ruhig. Die Besucher fehlen. An einem Samstagmittag. Es ist »Corona«. Winfried A. Seidel, der Inhaber des Museums, ermöglicht uns dieses einmalige Erlebnis, tagsüber allein im Museum die Traumautos unserer Großeltern zu fotografieren. Er begleitet uns die ersten Minuten, zeigt uns die Ausstellungsbereiche, macht uns Licht, wo wir welches brauchen, erklärt uns, wie wir die Erklärungstafeln unfallfrei bewegen – und geht. Jetzt sind wir allein. Ein bisschen fühle ich mich wieder wie damals als kleiner Junge, als ich das erste Mal in einem »Toys R Us« stand: einfach nur überwältigt.

C. Benz Söhne 8/25 PS Tourenwagen (1924)

Das Schwierigste: Die Auswahl

Wir drehen erst einmal eine Runde durch das Museum und widmen uns der schwierigsten Aufgabe des Tages: Wir müssen eine Auswahl treffen. Ich suche spontan etwa zehn Fahrzeuge heraus, die ich unbedingt vor der Linse haben möchte. Ach, und das Museum in Gänze wäre schon auch toll. Vollkommen unrealistisch, wie sich später herausstellt. Dennoch gehen wir voller Tatendrang an unser erstes Fahrzeug. Ein C. Benz Söhne 8/25-Wagen aus der Ladenburger Fabrik von 1924. Der Wagen hat es verdient, porträtiert zu werden. So viele fotogene Details. Die riesigen Scheinwerfer, die Holzfelgen, das Holzlenkrad, überall Schalter und Knöpfe, von denen ein moderner Autofahrer nur erahnen kann, wofür sie da sind. Alt, aber unendlich sexy, wie ich finde. Ich könnte an dem Fahrzeug allein den restlichen Tag verbringen, aber ich wähle gerade mal zwei Perspektiven für die ersten Fahrzeugporträts. Wir haben noch viel vor.

Mercedes-Benz 230 W 143 (1936)

Wir wechseln das Jahrzehnt. Ein Mercedes-Benz 230 W 143, Baujahr 1936. Er wird »Sonnenschein-Limousine « genannt. Wie passend, denke ich. Genau der Sonnenschein macht uns gerade das Leben schwer. Durch die großen Fenster der Fabrik scheinen die Sonnenstrahlen auf den Wagen, und die Rahmen der Fabrikfenster spiegeln sich unschön im schwarzen Lack. Auf Zehenspitzen balancierend versucht Matthias die Strahlen mit einem großen Reflektor zu bändigen. Mit Erfolg. Klick. Szenenwechsel.

Mercedes-Benz 300 SL Roadster aus der Vorserie (1957)

Das Highlight des Tages

Wir nähern uns mit dem kompletten Equipment dem Highlight des heutigen Tages, allerdings ohne es zu wissen. Ein knallroter Mercedes-Benz 300 SL Roadster. Unschuldig steht er da und lässt das ganze Prozedere über sich ergehen: Blitze aufbauen, Softboxen ausrichten, Reflexionen bändigen. Dann das übliche Bodenturnen, um den richtigen Winkel zu finden. Der seitliche Luftauslass hat es mir angetan. Ein Shot, noch einer, Licht anders, noch einer. Nach einer gefühlten Ewigkeit lassen wir von dem Schmuckstück ab. Die Zeit rennt. Konzentration, Kreativität und Tageslicht neigen sich dem Ende zu.

Wir nehmen uns noch zwei weitere Fahrzeuge vor. Beide entstammen eigentlich nicht der berühmten Carl-Benz-Schmiede. Zunächst widmen wir uns einem Porsche Modell 356 aus dem Jahre 1955. Ein wunderschönes Fahrzeug, das aufgrund seiner gewölbten Haubenform eine weitere Herausforderung für die Platzierung der Softbox darstellt. Matthias muss wieder viele Anweisungen über sich ergehen lassen, bis auch der letzte Reflex da ist, wo ich ihn gern haben möchte. Vorkriegsfahrzeuge sind da definitiv einfacher. Zu einem solchen wechseln wir jetzt zum krönenden Abschluss.

Porsche Modell 356 (1955)

Das Finale des Tages

Ein Ford Cagle A. Spezial-Midget-Rennwagen aus dem Jahre 1929 soll das Finale des heutigen Tages bilden. Wir sammeln die letzten kreativen Energien, und plötzlich kommt sie noch, die zündende Bildidee. Anders als alle anderen Bilder, die wir heute gemacht haben. Anders als meine tausendfach eingeübten Standardperspektiven. Seltsamerweise passiert das öfter ausgerechnet am Ende eines langen Shooting-Tages. Wenn wir müde, ausgelaugt und kurz vorm Zusammenpacken sind. Versteh’ ich nicht, trotzdem funktioniert es immer wieder. Genau wie die Umsetzung der Idee. Rote Haube quer durch die gelbe Speichenfelge fotografiert. Noch mal auf den Boden, Bauchmuskeln ein letztes Mal anspannen. Klick. Blick aufs Display. Freude. Fertig!

Torsten Krebs (*1978) fotografiert seit seinem neunten Lebensjahr. Im Jahre 2013 hat er die Fotografie mit seiner zweiten Leidenschaft, den klassischen Fahrzeugen kombiniert und seine Firma gegründet. Mit seinen Automobilportraits konnte er bereits internationalen Wettbewerbserfolge erzielen. Hochwertige Kalender und großformatige Prints sind die Lieblinge seiner Kunden.
Webseite: torstenkrebs.com
Instagram: @torstenkrebs_com

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