»Manchmal sind unsere besten Entscheidungen die, die völlig sinnlos erscheinen.«
– Ted Mosby, How I Met Your Mother
Inhalt
DIE QUAL DER WAHL
Ich gebe unumwunden zu: Ich bin nicht ganz dicht. Die Entscheidung, ein bestimmtes Kamerasystem zu nutzen, habe ich bisher stets mit der Gewissheit getroffen, dass ich auch irgendwann wieder auf ein anderes System wechseln könnte.
Dank meiner Tätigkeit bei Foto Erhardt habe ich ständig die unterschiedlichsten Kameras in der Hand. Meine Workshop-Teilnehmer nutzen Spiegelreflex- und Systemkameras aller Hersteller, und ich bin auf alle vorbereitet. Mir sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede somit wohlbekannt, und auch wenn ich nicht jedes Modell bis ins letzte Detail kenne, kann ich dennoch mit allen Kameras recht selbstverständlich umgehen.
Diese Selbstverständlichkeit erleichtert meinen Job immens. Die Kehrseite der Medaille: Mich selbst auf ein System festzulegen fällt mir sehr schwer.
Ausnahmslos jede Kamera ist ein Kompromiss, das perfekte System gibt es nicht. Ich weiß, es ist mutig, so eine Aussage auf der Website eines Fotohändlers zu veröffentlichen, aber wenn ich schreiben würde, alle Kameras seien perfekt, empfände ich das als Bankrotterklärung an meine Glaubwürdigkeit.
Keine Kamera ist perfekt.
Welchen Kompromiss man letztendlich eingeht, ist eine ganz individuelle Entscheidung. Größe und Gewicht, Bildqualität, Material, Akkulaufzeit, Funktionen, Geschwindigkeit, Zubehör, Verfügbarkeit und natürlich nicht zuletzt der Preis wollen abgewägt werden. Wohl dem, der das alles sofort entscheiden kann.
WAS BISHER GESCHAH
Ich war treuer Nikonianer. Meine Kamera war mein zuverlässiges Werkzeug, der Fels in der Brandung. Doch meine Nikon D300s kam in die Jahre und Nikon forcierte andere Modellreihen – ein Nachfolger war scheinbar nicht geplant.
So kam mir 2013 der komplette Umstieg auf Olympus sehr gelegen. Die erste OM-D lieferte im Vergleich zu meiner alten Nikon eine bessere Bildqualität bei erheblich geringerem Volumen und extrem geringerem Gewicht. Eine Offenbarung.
2016 veröffentlichte Olympus die PEN-F, und bereits beim ersten Anblick dieser Kamera auf dem Titel der Ankündigung war klar: Meins. Das Exterieur erinnert an eine historische Messsucherkamera. Intern werkelt jedoch modernste Technik, die Optionsvielfalt ist umwerfend.
Die Kamera kaufte ich im Kit mit dem Olympus 17 mm f1.8, dazu musste ich unbedingt das 75 mm f1.8 haben – dieses Objektiv war schon seit 2013 meine absolute Lieblingslinse, und für das MFT-System ist sie das bis heute. Das Teil ist einfach verdammt geiles Glas.
In den regulären Workshops setze ich meistens auf meine berufliche Olympus OM-D E-M5 Mark II, zu spezielleren Themen wie z.B. Porträtfotografie nehme ich auch gerne mal meine PEN mit, wenn ich der Meinung bin, dass da auch mal ein spannendes Foto entstehen könnte, für das ich privat Verwendung hätte.
Und grundsätzlich bin ich mit den Ergebnissen aus diesen Kameras auch zufrieden, aber irgendetwas fehlt. I just couldn’t put my finger on it.
UND EWIG LOCKT…
Neuheit hier, Innovation da – wer in der Fotobranche arbeitet, sieht sich ständig mit dem nächsten, großen Wow! konfrontiert. Die Euphorie ebbt natürlich mit den Jahren etwas ab, aber dennoch stellt sich immer mal wieder ein leichtes Will-haben-Gefühl ein, das man allein schon aus finanzieller Sicht besser ignoriert.
Dennoch schwappte der Wunsch nach einer Vollformatkamera immer wieder an meine mentale Wasseroberfläche, den ich jedoch stets mit der Argumentation Leistung pro Gramm – also der Relation von Größe und Gewicht zu tatsächlicher Bildqualität – erfolgreich unterdrücken konnte.
Bis jetzt.
Ein vernünftiger Einstieg in die Welt des Vollformats wäre sicherlich eine Canon EOS 6D Mark II oder eine Nikon D750 gewesen, aber neben den relativ großen Kameragehäusen – die von vielen Fotografen geschätzt werden – bringen die Objektive doch so einiges auf die Waage. Damit fiel dann letztendlich auch Sony raus. Die 7er Alphas sind geniale Kameras, aber die Optiken sind mir persönlich leider eine Spur zu wuchtig.
“Wer ’ne Klappe wie ich hat, braucht keine Muckis.” Diesem Leitsatz des deutschen Sprachgenies Prinz Pi folgend gibt meine Oberarmmuskulatur keine langen Einsätze schweren Profi-Equipments her. Is’ halt so.
SHE’S GOT THE LOOK
Die Vorteile des Vollformats sind nicht von der Hand zu weisen, auch wenn in diversen Foren und auf anderen Plattformen gerne von lediglich geringen Unterschieden zu kleineren Kamerasensoren berichtet wird.
Das Vollformat punktet beim Dynamikumfang und mit ISO-Reserven. Das sind bis jetzt unumstößliche Fakten. Für meine Bildideen aber noch viel interessanter: Das Freistellungspotenzial ist höher, denn die Schärfentiefe ist bei Fotografien besonders mit großer Blendenöffnung geringer. Erheblich geringer.
Aber ein matschiger Hintergrund macht noch kein Foto. Ich stoße – vor allem online – immer mal wieder auf Fotografien, die irgendwie anders wirken, denen ein besonderer Zauber inne zu wohnen scheint. Farben, Kontraste und Schärfe sind bei manchen Fotos einfach… geiler.
Wer schon mal mit mir persönlich zu tun hatte, dürfte wissen, dass mir Bildbearbeitung alles andere als fremd ist. Seit 1999 ist Adobes Photoshop mein treuer Weggefährte, mit dem ich eigentlich alles so zurecht schrauben kann, wie ich mir das vorstelle.
Bis auf diesen Zauberlook.
UND DANN KAM LEICA
Ich bin mir immer noch nicht so ganz sicher, ob ich jetzt wütend oder dankbar sein soll, mit einer Leica M konfrontiert worden zu sein. Obwohl ich schon viele Jahre der Fotobranche treu bin, ging Leica konsequent an mir vorbei.
Warum? Geld.
Leica kostet viel Geld. Leica ist nicht zu teuer, das ist ein gewaltiger Unterschied. Aber Leica kostet sehr viel Geld. Habe ich schon erwähnt, dass Kameras von Leica sehr viel Geld kosten?
Die Objektive kosten natürlich auch. Sehr. Viel. Geld.
Dieser Umstand führt auch dazu, dass Kameras und Objektive von Leica in unserem Hause wie rohe Eier behandelt werden. Ich arbeite seit 12 Jahren für Foto Erhardt, und in diesen zwölf Jahren kann ich mich an genau zwei (in Zahlen: 2) Situationen erinnern, in denen ich eine Leica in die Hand nehmen durfte. Natürlich nur mit Handschuhen. An ein Auslösen war gar nicht zu denken.
Ich begegnete den Kameras somit stets mit einer gehörigen Mischung aus Respekt und Ehrfurcht.
Jetzt spiele ich täglich mit einer.
BIST DU DENN IRRE?
Klares Ja, aber das habe ich eingangs bereits zugegeben. Ich liebe die Fotografie. Ich liebe großartige Fotografien und ich liebe es, selbst Fotografien zu gestalten. Und als ich das erste Mal den Auslöser einer Leica M betätigte, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass es dem Hersteller – oder besser: den an der Produktion dieser Kamera beteiligten Menschen – genau so geht wie mir.
Wie ich bereits im Beitrag über meine Foto-Challenge schrieb, werden moderne Kameras gerne mit einer umfangreichen Funktions-Vielfalt ausgestattet. Darüber definieren sich viele Modelle und erkämpfen sich so ihre Daseinsberechtigung. Und ich weiß diese Vielfalt zu schätzen, denn so gibt es für jede fotografische Vorstellung auch das passende Werkzeug am Markt. Die Innovationen der letzten Jahre sind dahingehend wirklich bemerkenswert, und der spürbare Konkurrenzkampf ist letztendlich kundenfreundlich. Es gibt wirklich für jeden etwas.
Jedem Tierchen sein Plaisierchen.
Des einen Freud kann jedoch auch schnell zu des anderen Leid werden. Mir fehlte irgendwie der Fokus auf das Fundament der Fotografie, auf den Ursprung eines jeden Fotos. Ich wünschte mir eine Rückbesinnung auf das Wesentliche.
Genau das macht eine Leica M. Genau das ist eine Leica M.
DAS WESENTLICHE
Ganze vier Dinge gilt es an einer M einzustellen: Schärfe, Blende, Zeit und Empfindlichkeit. Kein Wunder also, dass man auch eine digitale Leica ohne Display bekommen kann. Die hätte ich auch beinahe genommen.
Die Schärfe wird manuell am Objektiv eingestellt, einen Autofokus gibt es nicht. Das mag jetzt erstmal altbacken klingen, birgt aber tatsächlich schon den ersten großen Vorteil. Wo bei anderen Kameras stets entschieden werden will, ob der Autofokus einmalig oder kontinuierlich auf einem vordefinierten Fokusmessfeld, einer Kombination aus mehreren, zusammenhängenden Fokusmessfeldern oder von der Kamera automatisch gewählten Fokusmessfeldern die Schärfe ermitteln soll (die Optionsvielfalt dürfte an diesem langen Satz bereits deutlich werden), brauche ich bei einem manuellen Fokus diese Entscheidung gar nicht fällen. Durch den Sucher schauen, Schärfe einstellen, fertig.
Okay, das muss man üben. Aber das wird schon.
Was besonders auffällt: Dank fehlendem Autofokus ist Leica in der Lage, sehr lichtstarke Objektive sehr klein und kompakt zu halten. Der Kauf eines solchen Objektivs erinnert dann auch eher an Schmuck: Kleine Schachtel, großer Preis.
Die Blende wird ebenfalls manuell am Objektiv eingestellt. Eine Leica M verfügt über keine Blendenautomatik. Aber jetzt mal Hand aufs Herz: Wer will die auch? Sicher, wer noch nie vom Belichtungsdreieck Blende, Zeit, ISO gehört hat und nicht weiß, was die Blendenöffnung für eine Fotografie bedeutet, wird mit einer rein manuellen Blendensteuerung nicht glücklich. Aber derjenige ist eben auch nicht die Zielgruppe für eine M. Und liest hier vielleicht auch nicht mit.
Verschlusszeit und ISO hingegen können von der Kamera übernommen werden, hier gibt es am Rädchen jeweils das berühmte A. Für wenn’s mal schnell gehen muss.
Aber bei einer Leica M geht es gar nicht um schnell. Da ich nur über das Wesentliche (jaja, ich wiederhole mich) eines Fotos zu entscheiden habe und nicht drölftausend andere Dinge vor der Aufnahme mit der Kamera abklären muss, findet eine radikale Entschleunigung statt.
Und die bewusstere Auseinandersetzung mit dem Motiv.
Sollte jemand von Leica hier aus Versehen mitlesen: Ich hätte einen Vorschlag für einen neuen Werbeslogan.
Leica M – Einfach. Bewusst.
SO SIEHT’S AUS.
Es ist nicht nur das Bedienkonzept, das mich von der ersten Sekunde an komplett überzeugte. Der Look, der mit der Kombination einer Leica M und einem Leica Objektiv erzeugt wird, ist einzigartig. Und nicht mit anderen Mitteln reproduzierbar.
Schärfe, Bokeh, Kontrast, Farbe (oder Schwarzweiss)… ich zitiere Horst Lichter: “Ein Träumchen.”
Da war er also, mein Zauberlook. Einfach so. Out-of-cam.
Woran das liegt, wissen wohl nur die Götter… äh, die Ingenieure in Wetzlar und Solms.
Aber abgesehen von diesem Look wird der Unterschied zwischen kleineren Sensoren und dem Vollformat-Sensor, der seit der Leica M9 in jedem M-Modell ein Zuhause findet, mehr als deutlich. Ich kann nun völlig schmerzfrei mit ISO 6.400 fotografieren, bei besonders wenig Licht wage ich mich sogar bis ISO 10.000 und weiß, dass das Ergebnis noch absolut brauchbar sein wird.
Der Belichtungsspielraum beim Entwickeln der RAW-Dateien hat mich dann völlig aus den Socken gehauen. Selbst wirklich überbelichtete Motivanteile lassen sich – natürlich nur in einem gewissen Rahmen – mitunter sehr bequem retten. Das kannte ich so aus meinen vorherigen Kameras nicht.
Dazu kommt ein verblüffender Detailgrad, den ich Leicas exzellentem Glas zuschiebe. Was hier bei Architekturfotos beim Hineinzoomen knackscharf wiedergegeben wird, ist phänomenal.
Ende der Lobeshymne.
GEWECHSELT
Es ist vollbracht, der Systemwechsel ist vollzogen. Mein Hauptwerkzeug ist nun eine Leica M10 mit einer 35 Millimeter Festbrennweite. Die Gründe dafür lesen sich schon fast wie utopisches Wunschdenken.
Ein Kamerasystem mit leistungsstarkem Vollformat-Sensor in kompaktem Gehäuse höchster Fertigungsgüte mit intuitivem und übersichtlichem Bedienkonzept und äußerst kompakten Objektiven. Und das made in Germany. Really.
Aber eins vermisse ich dann doch. Na gut, fast. Die Gewissheit, irgendwann auch wieder auf ein anderes System zu wechseln, ist irgendwie weg. Aber ich glaube, da ich auch weiterhin Kameras aller anderen Hersteller in meinen Workshops in der Hand haben werde, riskiere ich nicht, einen elitären Scheuklappenblick zu entwickeln.
Und jetzt werde ich mit einer Olympus ein Video drehen. Über Canon.
Alles wird gut.
12 Kommentare zu "Systemwechsel"
Kommentarfunktion ist geschlossen.
Auch wenn eine Leica M so etwas wie der Porsche(traum) der Kameras ist: Ich würde zu viel vermissen gegenüber dem Status Quo. So ist der Autofokus fast universell gut, das Klappdisplay hilft bei Bodenaufnahmen, der elektronische Verschluss ist in einer Kirche komplett lautlos, als Bildbearbeitungsmuffel kann ich die Gradationskurve bereits bei der Aufnahme beeinflussen usw. Auch wenn ich nur einen Bruchteil der Funktionen meiner Kamera nutze, bei diesem Bruchteil sind Dinge dabei, die eine Leica nicht bietet. Insofern lasse ich den Traum lieber weiter einen Traum sein…
Gruß Joachim
Moin Joachim,
mein Beitrag soll Dich ja gar nicht dazu bringen, Dein hart verdientes Geld in eine Leica M Ausrüstung zu investieren. Wenn Dir die aufgezählten Features wichtig sind, wäre eine M in der Tat die völlig falsche Wahl.
Da es gerade so schön passt, zitiere ich an der Stelle meinen ersten Blogbeitrag: „Sollte ich also einmal emotional verklärt und völlig euphorisiert ein Produkt zu einem Must-have deklarieren, denkt bitte dran: Das muss nicht für Euch zutreffen, das geht erstmal nur mir so.“
Aber das ist ja letztendlich auch das Positive am heutigen Kameramarkt: Jeder kann sich das „herauspicken,“ was für die eigenen Ideen und Anforderungen am besten geeignet ist.
Hi Stefan,
ich kann Deine Erfahrungen leider komplett nachvollziehen. 😉
Jahrelang Canon, dann Olympus, jetzt seit einiger Zeit Leica MM 246 mit Leica-Glas und altem Canon-Glas zum Schrauben.
Die Olympus nehme ich nur noch selten mit, wenn es farbig sein soll. Die Leica ist täglich dabei.
Es geht also immer noch „bekloppter“ 🙂
Mein Lieblings-Slogan: Build like a tank!
Viele Grüße, Michael
Sollte eine Monochrom-Version der M10 ohne Display kommen (also eine Leica MM-D), wäre die sofort bestellt. Die Typ 246 stand eigentlich auch ganz oben auf meiner Wunschliste, aber ich mag irgendwie nicht ständig Farbfilter vor das Objektiv schrauben. Zumindest Orange und Rot bräuchte ich bei dem Teil ständig. Aber so als Zweitbody…
Ja, eine M10 Monochrom wäre auch schön gewesen.
Filter schrauben bin ich noch von der M6 „Monochrom“ gewohnt. 😉
Handling und Ergebnisse sind auch ähnlich, nur besser.
Sehr schön finde ich, dass man an der M optimal alte Schraubobjektive (M39) einsetzen kann.
Hallo Stefan,
tolle Idee dieser Blog, da kann auch so einer wie ich ohne Facebook Account mitwirken.
Thema Systemwechsel:
Ich denke jeder, der sich für die Fotografie interessiert und damit auch einen gewissen Teil seiner Freizeit verbringt steht immer mal wieder neu vor der Frage: Welches System passt am besten zu meinen fotografischen Themen, zu meinen Reisegewohnheiten und nicht zuletzt auch zu meinem Geldbeutel.
Für mich persönlich kommen neben den ganzen technischen Unterschieden auch immer wieder zwei ganz wichtige Punkte dazu:
Design und Haptik!
Wenn eine Kamera gut aussieht und man sie gerne in die Hand nimmt, kommt sie auch öfter mit in die Tasche für unterwegs.
Da ist es mir ähnlich ergangen wie Dir mit der PEN F, ich hatte schon die Olympus OM-D EM10 Mark 2 und zwei, drei Objektive für das MFT System, als „Immer dabei Kamera“. Dann hatte ich auf einmal den Olympus Prospekt von der PEN F in der Hand. Diese Kamera musste ich haben! Und sie braucht sich vor einem Systemwechsel nicht zu fürchten, die bleibt!
Interessant: Ich habe mir die PEN F gebraucht von jemandem gekauft, der auch sehr gut mit ihr zufrieden war, dann aber, wie er sagte „leichtsinniger Weise“ bei seinem Fotohändler eine Leica M in die Hand nahm. Seine Begeisterung klang ähnlich wie Deine.
Auch wenn ich noch keine Leica M in der Hand hatte, ist dieser besondere Fotolook in s/w wirklich außergewöhnlich. Bei dem Fotostammtisch in OS zum Thema „Wie im Film“ wurde ein wirklich geniales Foto gezeigt, bei dem mir sofort der Begriff „Leica-Look“ einfiel und tatsächlich war dieses Foto mit einer Leica fotografiert. Schwer zu beschreiben, aber es gibt ihn wirklich!
Aber zurück zum eigentlichen Thema:
Aktuell gibt es sicherlich mit den Herstellern Olympus, Panasonic, Fuji und natürlich Sony (Leica hier mal ausgenommen) einige handfeste Gründe für den Wechsel auf ein neues System, gerade auch von den Platzhirschen Canon und Nikon kommend. Da bin ich schon sehr auf die photokina im Herbst gespannt, was die beiden großen Hersteller dort zeigen. Nicht falsch verstehen, sind klasse Kameras, aber auf der Innovationsstraße sind derzeit eher die anderen Hersteller unterwegs.
Und dann? Was macht man bei einem Systemwechsel mit den älteren Schätzchen?
Verkaufen? Vitrine? Schrank? Objektive adaptieren?
Schwierige Fragen, da ein radikaler Systemwechsel natürlich auch bedeutet, auf vorhandenes Objektivmaterial erstmal zu verzichten. Nur die wenigsten können sich „ihre Brennweiten“ vom Vorgängersystem auch für das neue System so mal eben leisten. Adaptieren klappt auch nicht immer.
Daher gehe ich persönlich davon aus, dass der Gebrauchtmarkt für Fotoartikel in den nächsten Jahren noch einen höheren Stellenwert bekommen wird. Mich würde es freuen, wenn ein großer Händler wie Foto-Erhardt, dieses Thema auch näher beleuchtet und noch stärker Gebraucht-Artikel anbieten würde.
Ich denke, viele Personen meiden bei hohen Summen den An- und Verkauf von privat, weil es dort auch immer schwarze Schafe/ keine Garantien/ keine Rückgaberechte etc. gibt. Sprich: Das Vertrauen fehlt!
Selbst stehe ich gerade zwischen einer schon älteren Canon 6D mit einigen Objektiven und der Fuji XT 2 mit dem echt guten Kit-Objektiv im Systemumbau.
Und habe derzeit noch keine Ahnung wo die Reise hingeht, weil jede Kamera auch ihre Vorteile hat. Vielleicht sollte ich einfach eine Leica ins Auge fassen, dann wird mir die Entscheidung bestimmt von der Kamera abgenommen… ;-).
Gruß, Michael
Hallo Michael,
Deinen langen Kommentar habe ich jetzt mehrfach genossen, Du dürftest sehr gerne auch mal einen Gastbeitrag einreichen − ich wette, das wäre sehr lesenswert. Ich mag jetzt gar nicht auf jeden Punkt einzeln eingehen, vor allem das Thema An- und Verkauf fällt nicht in mein Ressort. Aber einer Deiner Punkte betrifft mich aktuell: Brennweiten vom Vorgängersystem.
An meiner Nikon war zuletzt mein sogenanntes Immerdrauf das Nikon 50 mm 1:1.4 G. Andere Fotografen zoomen − ich laufe (ich hab Festbrennweiten in meinen Veranstaltungen mittlerweile zu Beinzoomern umgetauft, das macht’s einfacher). An meiner Olympus hab ich so gut wie alles mit dem 75 mm 1:1.8 geschossen, und das ist dank des kleineren Sensors an der Olympus ja auch deutlich enger als ein Fuffziger an APS-C. Ich habe also mit der Olympus Bilder grundsätzlich anders gestaltet als mit der Nikon.
Für die Leica besitze ich derzeit lediglich das 35 mm 1:2.0 und damit mein weitwinkligstes Immerdrauf ever. Da muss man schon ganz schön umdenken und vor allem deutlich mehr Motivdetails im Blick haben. Aber ich genieße diese Umstellung und vermisse meine alten Brennweiten nicht. Einzig ein 50er hätte ich gerne noch, aber die Entscheidung fällt so schwer… Summarit, Summicron, Summilux, APO-Summicron oder Noctilux? Eigentlich gern alle… ich schweife ab.
Ein neues System mit neuer Brennweite kann durchaus das kreative Schaffen beflügeln. Klar, das könnte man billiger haben: Einfach ein neues Glas für das bestehende System kaufen. Aber das hat für mich nie funktioniert, ich kam dann immer recht schnell zu meinem Liebling zurück. Das passiert bei einem neuen System mit nur einer Linse nicht so schnell.
Dicker Praxis-Tipp: Nimm nie eine Leica in die Hand. Beim Lesen Deiner Zeilen wurde mir klar: Der ist empfänglich. Und das kann böse teuer werden. Für den Gesamtwert meiner aktuellen Wunschliste kaufen andere Menschen Grundstücke. Oh je, oh je…
Auch ich habe komplett auf Leica gewächselt leica MP eine monochrom M246 und was mit der M nicht geht dann kommt die SL dran ja man muss wissen was man will und es funktioniert. Auch wenn viele sagen ich rechne meine Daten in schwarz weiß um aber die M246 monochrom gleich damit zu arbeiten ist geil !
Nicht jeder ist reif für eine Leica ??
Und ich dachte, ich wäre ein wenig „verrückt“ – zugegeben, bin ich auch. Ich bekam zu Weihnachten eine EOS 6D MARK II geschenkt. Selber hätte ich mir diese aus „Geldmangel“ zur Zeit nicht gekauft. Von meiner alten analogen EOS 5 kam das Objektiv davor. Ein 28-105 USM.
Nun entdeckte ich jedoch meine alten M42 Festbrennweiten. Adapter bestellt und nun habe ich eine echt „brauchbare Kamera“ und bin Happy.
20mm 28mm 35mm 50 und 52mm 135mm – alle lichtstark. Und noch die Wundertüte mit 500mm. Es ist genial.
Angefangen bin ich 1984 mit einer AE1. Die M42er Altgläser sind Geschenke gewesen incl. Zenit und Porst Kameras, Blitzen ….
Und ja:
Bereits in den 80ern wären die Bilder der Leica anders. In Testberichte immer nach Computersicht schlechter als bei den Japanern, bei professionellen Fotografen jedoch unschlagbar.
Die Bilder mit meinen alten Optiken sind ebenfalls anders als mit dem ef28-105. Ob besser oder nur anders kann ich so genau nicht sagen. Aber weicher auf jedem Fall. Und es macht Spass mit dem Altglas zu arbeiten. Ich werde zudem demnächst mich bei Kursen in Cloppenburg anmelden. Mein altes Hobby ist wieder aufgeflammt.
Aber wußte Ihr: Die Leica ( hier Leica M mit 50er Objektiv ) kostet immer das dreifache eines normalen Durchschnitt-Gehaltes ( BRD ) ? In den 50er Jahren kostet z.B. eine Leica IIIf – ca. 900,00 DM | ø mtl. Gehalt war damals ca. 300,00 DM.
Heute kostet sie € 7.500,00 | Heutiges ø Gehalt = ca. € 2.500,00 !
So kann man sehen was früher in den 50er / 60er / 70er / 80er / 90er verdient wurde und kann erkennen das Leica über die Jahrzehnte nicht teurer geworden ist.
Hallo Stefan!
was hälst Du von der Leica Q? Vielleicht bös gesagt eine Leica für Arme? Oder Friseusen Leica ?
Vor einem Jahr habe ich den Vollformatsprung auf eine 6D gemacht, das war schon gewaltig..
Jetzt weiß ich als Hobby-Laie nicht, welche Frage ich genau stellen soll; vielleicht: ist die Leica Q wieder so ein Sprung? Wird man damit unzufrieden und will eine M? (Oder soll man einfach mal zufrieden sein und sich um die wichtigen Sachen des Lebens kümmern ?)
Vielen Dank & Gruß
Marcus
Moin Marcus,
die Leica Q ist ganz klar eine fantastische Kamera – mit eventuell bösen Folgekosten, denn sie kann der Einstieg in die Leica-Welt sein. Der Fokus arbeitet sagenhaft flott, sie liegt toll in der Hand, sie mutet wertig an, ist dabei schön leicht und liefert in Kombination mit dem integrierten 28 mm Summilux 1:1.7 einfach geile Fotos. Die jetzt vorgestellte Q2 legt dann nochmal eine gehörige Auflösungs-Schippe drauf und punktet mit besserer Widerstandsfähigkeit. Allein wegen des Autofokus wäre sie für mich eine schöne Zweitkamera für die schnellen Schüsse im Leben. Da ich auf diese Schnellschüsse aber verzichte und lieber in Ruhe komponiere, ist für mich persönlich eine M die bessere Wahl. Außerdem mag ich 35 und 50 Millimeter lieber als 28, und die sind eben an der Q fix. Ich kenne aber auch mehrere Q-Fans, die mit dem 28er sagenhafte Fotos zaubern, denen man den Weitwinkel nicht mal richtig ansieht.
Kurzum: Keineswegs ist die Q eine Leica für Arme (dafür ist sie dann doch auch noch zu teuer). Sie ist – genau wie S, SL, CL und TL2 – einfach eine andere Kamera als die M, ohne dabei generell besser oder schlechter zu sein. Sie bedient eben andere Vorlieben.
Zu Deinen weiteren Fragen: Von einer 6D zu einer Q kann ein gewaltiger Sprung sein, denn der Fokus ist schneller, Kamera und Objektiv wesentlich leichter und kompakter, die Bedienung einfacher und aufgeräumter. Außerdem könnte es sein, dass die Bildqualität deutlich besser ist, aber das liegt an den Objektiven, die Du bisher verwendest. Nur soviel: Das Summilux in der Q ist krass. Den typischen Vollformat-Look kannst Du natürlich mit beiden Kameras erreichen. Ob man jedoch die Flexibilität einer DSLR opfern und lieber auf eine Premium-Kompaktkamera setzen möchte, muss jeder für sich selbst entscheiden. Hier gilt es selbst zu testen.
Und auch die Frage, ob man jemals mit einer Q so unzufrieden sein wird, dass man Organe spendet, um eine M kaufen zu können, kann ich so nicht beantworten. Für mich war und ist der Reiz, mit der Leica zu fotografieren, eben die reduzierte, analog anmutende Arbeitsweise, die sich mit keinem anderen Kamerasystem substituieren lässt.
Ja, Sony in Verbindung mit Zeiss ist geil. Ja, eine Fuji XT-3 mit 56 mm f/1.2 ist auch geil. Ja, eine Nikon D850 oder Canon EOS 5D Mark IV mit 50 mm Sigma Art davor sind auch geil. Ja, eine Panasonic S1 (oder S1R) mit 50 mm f/1.4 ist sehr geil. Ja, eine Pentax K-1 Mark II mit 50 mm f/1.4 HD Glas davor ist auch sehr, sehr geil. Und ja, eine Olympus OM-D oder Pen mit dem Olympus 75 mm f/1.8 fand ich schon immer geil.
Alles geil. Aber alles eben keine Leica M. Kein Messsucher, viel mehr Menü, viel mehr Knöpfe, viel mehr Optionen, viel mehr Gefummel. Und das ist auch okay, denn diese Werkzeuge sind bewusst so konzipiert, und die Zielgruppen erwarten das genau so. Und ich kann eben besser ohne.
Und das ist dann auch die Essenz meiner gefühlt viel zu langen Antwort: All das gilt für mich und niemanden sonst. Darum vertraue da auch keinem Blog-Post und keinem YouTube-Video, sondern nimm die verschiedenen Kameras mal im Laden in die Hand und finde raus, ob Dich etwas besonders anspricht. Stößt Du mit der 6D an Grenzen? Welche sind das? Was soll besser oder anders werden? Das kannst nur Du beantworten. Und darüber findet man dann auch heraus, ob eine Leica Q (oder Q2) eine gute Wahl wäre.
Bitte entschuldige den Roman. 😉
Lieben Gruß
Stefan