27.12.2022

Manuelles Fokussieren: Wann man besser selbst scharf stellt

Der Autofokus digitaler Kameras ist in den letzten Jahren deutlich genauer und schneller geworden. Dennoch stellen Profifotografen teils selbst scharf – und lassen sich dabei von intelligenten Assistenten unterstützen.

Porträtfotografen verlassen sich nicht immer auf den Autofokus, wenn es darum geht, Augen und andere aussagekräftige Details des Gesichts exakt scharf abzubilden. Auch Makro-Fotografen fällt das kreative Arbeiten mit manuellem Fokus mitunter leichter: Mit einem leichten Dreh am Schärfering des Objektivs verlagert sich der Fokus vom Blütenstempel auf die Tautropfen am Blattrand. Und mehrfach hin und zurück, wenn die Entscheidung für die perfekte Bildkomposition nicht so einfach zu treffen ist.

Neben den kreativen Möglichkeiten, die manuelles Fokussieren bietet, gibt es auch Situationen, in denen es gar nicht anders geht, weil der Autofokus versagt: Bei wenig Licht beispielsweise oder wenn das Motiv wenig Kontrast aufweist, findet der Autofokus-Sensor nur schwer klare Konturen, die er zum Ermitteln der Schärfe benötigt. Auch beim Fotografieren durch Gräser, Blätter oder Glasscheiben hindurch fällt es der Automatik nicht leicht, sich festzulegen.

In solchen Fällen ist es besser, zum manuellen Fokus zu wechseln und durch Drehen am Schärfering die Linsen selbst in die richtige Position zu bringen. Gut, wenn man sich bereits mit dieser Art des Fotografierens beschäftigt hat und alle Tricks und Kniffe für ein gestochen scharfes Ergebnis kennt.

Vorbild Schnittbildindikator

Eine der größten Herausforderungen beim manuellen Fokussieren ist die Beurteilung der Schärfe am kleinen Kameradisplay oder Sucher. In der analogen Fotografie besaßen höherwertige Kameras noch einen „Schnittbildindikator“ – eine Einstellscheibe in der Mitte des Suchers, die dank gegenläufig geteilter Hälften defokussierte Bereiche etwas versetzt darstellte. Um etwa auf eine Häuserfassade scharf zu stellen, suchte man nach einem deutlich erkennbaren Umriss wie einem Fensterrahmen, positionierte den Schnittbildindikator darüber und drehte dann am Schärfering. Das Motiv war genau auf den Punkt scharf gestellt, wenn die beiden Schnittbilder im Sucher ohne jeglichen Versatz aneinanderpassten.

Nach dem Vorbild dieses Schnittbildindikators sind einige spiegellose Systemkameras mit einem „Digitalen Schnittbild“ ausgestattet. Ein Nachteil des Originals und des digitalen Nachbaus besteht jedoch darin, dass sich nur mittig angeordnete Motive wirklich gut beurteilen lassen. Das kann die Bildkomposition stark einschränken. Natürlich kann man den alten Fotografen-Trick anwenden, zuerst zu fokussieren und dann den Bildausschnitt anzupassen, aber das führt vor allem bei offener Blende schnell mal zu Ungenauigkeiten.

Deutlich beliebter ist deshalb eine ebenfalls von analogen Kameras wie auch von Videokameras bekannte Technik namens „Focus-Peaking“, mit der kontrastreiche Kanten im Sucher bzw. Display farbig hervorgehoben werden. Da Kanten mit hohem Kontrast gleichzeitig die schärfsten sind, lässt sich so gut beurteilen, wie weit sich die Schärfentiefe im Motiv ausdehnt.

Mit die beste Methode zur Beurteilung der Schärfe ist jedoch immer noch die Vergrößerung des relevanten Bildausschnitts auf 100 Prozent. Mit diesem Lupen-Effekt dauert die Kontrolle der Schärfe zwar etwas länger, dafür ist das Ergebnis aber genauer gbo338. Und bei Motiven wie Landschaften oder Stillleben ist Zeit ohnehin kein limitierender Faktor.

Wie alle Hilfsfunktionen, die im Live View oder elektronischen Sucher eingeblendet werden, lassen sich Lupe und Focus-Peaking auch mit rein manuellen Objektiven nutzen. Das ist neben dem günstigen Preis einer der Gründe, weshalb sich analoge Optiken und „Kreativlinsen“ großer Beliebtheit erfreuen.

Überhaupt eignen sich teilweise auch ältere Objektive etwas besser zum manuellen Fokussieren als aktuelle, die vor allem für die Zusammenarbeit mit dem Autofokus optimiert werden. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, wie präzise sich die Schärfe einstellen lässt – deshalb sollte sich der Fokus beim Drehen am Schärfering nur relativ langsam verlagern.

Eine gute Investition sind Objektive, die sich auch im AF-Modus manuell scharf stellen lassen, wie z. B. das Sigma 50mm F1,4 DG HSM | Art. Wenn die Zeit drängt, wird einfach automatisch vorfokussiert, die Feinabstimmung nimmt der Fotograf dann durch Drehen des Schärferings vor, ohne dass er erst den Schalter auf „manuell“ stellen muss.

Manuellen Fokus richtig nutzen

Diese Kamera- und Objektivfunktionen solltest du kennen, wenn du ein Motiv selbst scharf stellen möchtest.

Von „Autofokus“ auf „manuell“ wechseln
Der Schalter „M“ für den manuellen Fokus findet sich bei den meisten Kamerabodys in der Nähe des Bajonetts. Achtung: Manche Objektive müssen zusätzlich auf „manuell“ gestellt werden, damit nicht beim Drehen des Schärferings der AF-Motor beschädigt wird.

Fokusring einstellen
Beim Drehen des Schärferings verlagern sich die Linsensysteme des Objektivs und mit ihnen die Schärfeebene. Um ein wirklich gestochen scharfes Bild zu erhalten, empfiehlt es sich, sich Zeit zu lassen, etwas mit dem Schärfering zu spielen und sich dann für die „knackigste“ Variante zu entscheiden.

Sucher auf Sehstärke abstimmen
Ob elektronsicher Sucher oder optischer: Der gezeigte Bildausschnitt kann meist über ein Rändelrad an die Sehstärke des Fotografen angepasst werden. So lässt sich die Schärfe auch ohne Brille beurteilen.

Schärfeindikator nutzen
Man kennt es vom Fotografieren mit Autofokus: Richtig scharf gestellt, leuchtet der aktive Autofokuspunkt im Sucher auf. Bei manchen Kamera-Objektiv-Kombinationen lässt sich dieser Schärfeindikator auch beim manuellen Fokussieren nutzen. Das Aufleuchten des AF-Punktes dient zur Bestätigung der Schärfe, die Stellmotoren des Objektivs werden nicht aktiviert. Dazu sollte der aktive Fokuspunkt zur optimalen Beurteilung genau über dem Motiv positioniert sein.

Klappdisplay mit Lupe
Mit einem klapp- oder schwenkbaren Display, wie hier am Beispiel der Nikon Z 6II, lässt sich die Schärfe auch aus ungewöhnlichen Perspektiven beurteilen. Eine weitere wichtige Hilfe ist die Vergrößerung der Bildvorschau auf 100 Prozent. Manchmal muss man für die „Lupe“ eine spezielle Taste drücken, bei manch einer Kamera wird die Lupe auch automatisch aktiviert, sobald man am Schärfering dreht. Damit lässt sich die Darstellung kleinster Details kontrollieren.

Kontrolle am Monitor
Noch besser als im Sucher oder Display lässt sich die Schärfe an einem größeren Monitor beurteilen. Im Studio ist es relativ einfach, die Kamera per Kabel oder Funk an einen Bildschirm anzuschließen. Aber auch unterwegs ist dies möglich. Spezielles Zubehör oder kompatible Apps verwandeln iPads in große Kontrolldisplays für Nikon- und Canon- Kameras, inklusive Halterung fürs Stativ.

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