07.06.2019

Leica Q2 – „Das Weniger für Mehr“

Wenn man verschiedene Fotografen an denselben Ort schickt, wird ihn jeder mit seiner ganz subjektiven Sicht wahrnehmen und festhalten. Für mich haben sich die Menschen als essenzielle Zugabe zu einem guten Foto heraus kristallisiert.

Wie bei einen Satzbau Subjekt, Objekt und Prädikat, hauchen sie einem guten Bild erst eine Geschichte und damit das Leben ein. Leica formulierte vor einigen Jahren einmal, dass die Fotografie die „Zukunft der Erinnerung“ ist.

Fotografie hält Momente fest, die es wert sind, auch in Jahren erinnert zu werden.

28 mm | Blende 2.5 | 1/12000 sek. | ISO 1600 | ©Stefan Göbel

In den letzten Jahren begleitete mich eine Canon 6D SLR auf meinen Exkursionen, eine wunderbare Begleiterin mit zuletzt einer stattlichen Anzahl von Objektiven von 14 bis 300 mm, um für nahezu jede Situation gerüstet zu sein.

Zugleich stellte sich aber auch die Qual der Wahl ein, der stete Zweifel, im richtigen Moment auch das richtige Objektiv montiert zu haben. Denn wenn Menschen ins Spiel kommen und man nicht auf gestellte Motive setzt, ist Spontanität entscheidend.

Es ist häufig der eine Moment, in dem eine Geschichte entsteht, nach der man gesucht hat – von der man zugleich aber auch gefunden wird.

28 mm | Blende 11 | 1/160 Sek. | ISO 200| ©Stefan Göbel

Die Leica Q2 bietet mir die Spontanität, nach der ich gesucht habe.

Die Leica Q2 ist auf das Wesentliche reduziert, woran man sich als DSLR-Nutzer zunächst gewöhnen muss. Die Bedienelemente sind äußerst reduziert, es fehlen einige Knöpfe und Räder, die man von einer DSLR gewöhnt ist, um in die Bildsteuerung aktiv eingreifen zu können.

Verschlusszeit, Belichtungskorrektur und Auslöser: Ende – mehr findet sich an einer Q2 nicht! Dazu noch zwei Schnell-Funktionstasten, die man sich je nach nach persönlicher Präferenz programmieren kann sowie jeweils eine Taste zur Bildansicht und das Menü.

Die Programmierung der Schnell-Funktionsrasten ist zu empfehlen und recht einfach vorzunehmen. Ich persönlich habe mich für die ISO-Vorgaben und Benutzerprofile entschieden, um schnell den Modus von Farbe auf B/W und von Einzelfoto zu Aufnahmereihe und Sportfotografie wechseln zu können.

28 mm | Blende 1.7 | 1/125 Sek. | ISO 1600 | © Stefan Göbel

Was mich wirklich überraschte, war die Wirkung der Kamera auf die Außenwelt. Während sich Menschen von einer DSLR eher bedrängt sehen, erzeugt die Leica Q2 neugieriges Interesse.

Mit ihrer kompakten Bauweise wird sie von Fotografierten unterschätzt und erzielt eher die emotionale Regung eines Smartphones. Mehrfach wurde ich nach der „interessanten Kamera“ gefragt und ob sie „wohl alt oder doch schon Retrodesign“ wäre.

28 mm | Blende 2.8 | 1/50 Sek. | ISO 800 | © Stefan Göbel

Was mich begeistert ist die Geschwindigkeit der Q2

Was mich begeistert ist die Geschwindigkeit der Q2, was meinem Anspruch auf Spontanität erfüllt. Mit etwas Übung bekommt man den Dreh raus, sie binnen zwei Sekunden von der Schulter zu nehmen und gleichzeitig einzuschalten.

Ergänzt um den schnellen Autofokus hat man ein knackscharfes Bild in drei Sekunden – im wahrsten Sinne des Wortes – geschossen.

Sehr gut ist auch die manuelle Fokussierung, bei der sowohl im Sucher (ich bin noch Sucher-Typ) als auch bei Lifeview der gewählte Bildausschnitt automatisch vergrößert wird und man individuell in die Schärfe eingreift.

28 mm | Blende 3.2 | 1/1600 Sek. | ISO 50 | © Stefan Göbel

Offen gestanden hatte ich anfangs Zweifel, ob ich mit der Festbrennweite von 28mm klarkommen würde, schränkt sie mit der Ausrichtung als Weitwinkel den Gestaltungsspielraum doch deutlich ein.

Das Gegenteil ist der Fall: der neue Sensor mit sagenhaften 47 MPixel schafft eine enorme Leistungsbreite, um auch bei 75mm noch ausreichende 6 MPixel in das Motiv zu investieren.

Wenn man also nicht vor hat, aus einem 75mm Motiv ein Großflächenplakat zu machen, reicht es vollkommen aus. Ansonsten gilt, was schon Henri Cartier-Bresson gesagt haben soll: Wenn das Bild nichts ist, war man nicht dicht genug dran.

28 mm | Blende 1.8 | 1/200 Sek. | ISO 200 | © Stefan Göbel

Die Offenblende von 1,7 bietet auch bei wenig Licht deutliche Reserven und hält die ISO-Werte niedrig. So kann man auch bei Nacht in einer Stadt unterwegs sein und mit ISO 1.600 nahezu rauschfrei fotografieren.

Sichtbar wird es erst ab ISO 3.200, man muss die Bilder jedoch schon mächtig vergrößern, um sich davon stören zu lassen.

28mm | Blende 2.5 | 1/1600 Sek. | ISO 800 | ©Stefan Göbel

Die Datenmenge ist einer Herausforderung

Einen Warnhinweis möchte ich hier an diejenigen richten, die mit dem Gedanken spielen, sich eine Q2 anschaffen zu wollen.

Liebe Freunde der gepflegten Fotografie: die Datenmenge ist für die digitale Peripherie eine Herausforderung! Der 48 MP-Sensor produziert je Foto im RAW-Format ein Datenvolumen von ca. 85 MB und als JPG immer noch 17 MB.

Eine schnelle SD-Card und vor allem ein leistungsstarker Rechner mit Reserven im Speicher zur Nachbearbeitung – bei mir Lightroom – sind Grundvoraussetzung, um damit auch nach dem Fotografieren Spaß zu haben.

28 mm | Blende 1.7 | 1/320 Sek. | ISO 200 | © Stefan Göbel

Verbesserungspotenzial sehe ich noch in der Verbindung zwischen Kamera und der „Leica-FOTOS“-App. Der Verbindung dauert eine Weile und auch die Übertragung von JPGs via Bluetooth auf ein iPhone braucht bedingt der Datenmenge einige Zeit.

Die Übertragung der RAW-Daten habe ich mir bisher erspart. Ein Fehler ergibt sich zudem bei der Entkopplung aus Kamera und Smartphone: Nach der Trennung der beiden Geräte tritt ein Fehler auf, die Kamera kann nicht direkt wieder in Betrieb genommen werden.

Es bedarf eines Smart-Resets (Akku raus/rein), um ihr wieder Leben einzuhauchen. Ein entsprechendes Update sollte das lösen.

28 mm | Blende 1.8 | 1/30 Sek. | ISO 800 | © Stefan Göbel

Zusammenfassend lässt sich sagen:

Die Leica Q2 ist für meinen Geschmack der fotografische Wolf im Schafspelz. Im kompakten Maß und traditionellen Look überzeugt sie mich mit überragenden technischen und optischen Leistungen.

Für mich als Hobby-Reportage- und Streetfotograf ist sie nahezu perfekt.

Sie hat zweifellos ihren Preis, aber sie bietet zugleich auch Reserven, sich nicht in den nächsten Jahren ein Nachfolgemodell kaufen zu müssen. Sehe daher mit Freude in meine fotografische Zukunft, wo auch immer Motiv und ich uns finden.

28 mm | Blende 3,2 | 1/1600 Sek. | ISO 1600 | © Stefan Göbel

 

Über den Autor:

Stefan Göbel lebt in München und fotografiert seit seiner Jugend, war jedoch nie ein technikverliebter Enthusiast. Der 54jährige Familienvater von zwei Töchtern hat seine Kamera immer im Gepäck – egal ob er beruflich oder privat verreist. Seine Leidenschaft ist dabei die Streetfotografie.

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