02.10.2020

Kreative Schärfentiefe: Fotografieren mit Bokeh

Die Kontrolle der Schärfentiefe ist eine der ersten Fähigkeiten, die ein Fotograf beherrschen muss. Während es sich dabei im Kern um die Menge des einfallenden Lichts durch die Blende handelt, hat der Fokusbereich innerhalb eines Bildes einen direkten künstlerischen Einfluss auf das endgültige Bild.

Es ist daher wichtig, dass wir verstehen, wie die Schärfentiefe die Atmosphäre eines Bildes verändert. Und wie es verwendet werden kann, um die Aufmerksamkeit des Betrachters zu lenken.

Sobald diese Grundlagen erlernt sind, ist es uns möglich, das kreative Potenzial vollkommen auszuschöpfen.

Bokeh ist ein Stilmittel

Ein häufiger Fehler ist die Platzierung der Schärfe auf dem mittleren Fokuspunkt. Dabei spielt es eine wesentliche Rolle, wo du die Schärfe im Bild positionierst – liegt der Fokus näher am Vordergrund, wird der Hintergrund – je nach Blende – unschärfer.

Und umgekehrt.

Liegt der Fokus hingegen genau in der Mitte, sind weder Vorder- noch Hintergrund wirklich scharf.

Diese komplexe Beziehung zwischen Blende und Fokusabstand ermöglicht dir viele kreative Möglichkeiten und Freiräume. Der gezielte Einsatz von Unschärfe in Fotos – auch Bokeh genannt – ist ein tolles Stilmittel.

Verwende ein lichtstarkes Objektiv

Damit ein Bild einen Bokeh-Effekt zeigt, solltest du unbedingt ein lichtstarkes Objektiv verwenden. Um so lichtstärker das Objektiv ist, desto besser.

Du benötigst ein Objektiv mit einer Mindestlichtstärke von 1:2,8, höhere Lichtstärken von 1:2, 1:1,8 oder 1:1,4 wären ideal.

Wenn du kein lichtstarkes Objektiv besitzt, ist trotzdem ein Bokeh möglich. Vergrößere einfach den Abstand zwischen Hintergrund und Motiv und fotografiere mit einer geschlosseneren Blende, dann siehst du auch ein Bokeh.

Mit großen Kamerasensoren ensteht mehr Bokeh

Auch die Kamera ist wichtig. Mit großen Kamerasensoren entsteht mehr Bokeh als mit kleineren Sensoren. Eine Vollformat-Spiegelreflexkamera, wie etwa die Nikon D780, Canon EOS 6D Mark II oder Sony Alpha 7R II, hat mehr Bokeh-Potential als eine Kamera mit APS-C-Sensor.

Kompaktkameras mit kleinem Sensor liefern noch weniger Bokeh, eigentlich nur noch bei Nahaufnahmen.

Besonders bei Porträtnahaufnahmen kommt Bokeh sehr gut zur Geltung. Nahaufnahmen und Makroaufnahmen von Pflanzen und anderen Objekten in der Natur sind ebenfalls beliebte Motiv für Bokeh.

Werden Lichterketten oder stark reflektierende Objekte absichtlich unscharf fotografiert, werden sie als weichgezeichnete leuchtende Lichtkreise dargestellt.

So gelingen Porträts mit Bokeh

Eine offene Blende mit entsprechend geringer Schärfentiefe ist praktisch mit dem Porträt-Genre verheiratet und eine der ersten Techniken, die wir als Fotograf kennenlernen.

Die kritischen Komponenten eines Porträtfotos sind die Augen, sodass jede Technik, die die Aufmerksamkeit auf diesen Bereich beschränkt, von Vorteil ist.

Die Änderung des relativen Winkels der Kamera zum Motiv kann das Ergebnis erheblich verändern, ebenso wie der Arbeitsabstand zwischen Objektiv und Motiv.

Eine kreative Option ist es, die emotionale Kraft der Augen zu nutzen und diese mit einer sehr geringen Schärfentiefe zu isolieren.

Nutze dafür eine Blende von f/1,8 und ggf. sogar ein Makro-Objektiv, um den sehr engen Fokus präzise zu setzen.

In Kombination mit einem stark gerichteten Licht kann so ein kinoreifer Look erzielt werden.

Experimentiere außerdem mit dem Winkel der Kamera, um den Schärfeabfall noch mehr zu betonen: Stehe in einer erhöhten Position und richte die Kamera nach unten, während dein Motiv auf das Objektiv blickt.

So erhältst du eine viel dynamischere Perspektive als beim horizontalen Fotografieren auf Augenhöhe. Porträtbrennweiten bieten mit f/1,4 eine sehr geringe Schärfentiefe.

50-mm-Objektive, wie das Canon EF 50mm 1:1,4 USM, sind kompakter, während 85-mm-Objektive, wie das Samyang AF 85mm F1.4, meist das (noch) schönere Bokeh besitzen.

Die ideale Kombi aus Blende und Brennweite

Eine möglichst offene Blende führt nicht zwangsläufig zu den besten Ergebnissen. Denn Brennweite und Fokusabstand beeinflussen ebenfalls die Ausbreitung der Schärfentiefe im Bild. Darüber hinaus beeinflusst die Qualität des Objektivs das finale Resultat.

So komprimiert ein Objektiv mit 100-200 mm die Perspektive, vergrößert aber zugleich die verschwommenen Hintergrundflächen in der Komposition.

Durch die Anordnung des Rahmens und die Wahl der richtigen Kombination von Blende und Brennweite kannst du Hintergründe kreativ nutzen, um die Wirkung des Motivs zu unterstützen, indem er etwa Bereiche mit diffuser Farbe betont.

Wenn du mit f/2,8 oder offener fotografierst, solltest du nach dem Fokussieren direkt auslösen und das Bild nicht nachträglich neu komponieren.

Nimm einzigartige Landschaftsfotos auf

Im Gegensatz zu Porträts haben Landschaften sehr selten ein einziges Motiv, das groß und nah genug ist, um es vom Hintergrund bei entsprechender Blendenwahl abzusetzen.

Die richtige Wahl von Brennweite und Blende ist entscheidend, um sich den Effekt der richtig gewählten Schärfentiefe dennoch zu Nutze zu machen.

Wenn du mit mehr als 35 mm fotografierst, achte darauf, dass du bei f/2,8 oder mehr fotografierst, während du das nächstgelegene Ende der Fokusskala nutzt. Dadurch wird die Schärfe auf den Vordergrund beschränkt.

Alternativ kannst du auch ein starkes Detail der Szene betonen, wie etwa einen Baum. In diesem Fall solltest du eine Brennweite von 100 mm bei f/2,8-4 wählen.

Kreative Schärfentiefe bei Naturaufnahmen

Es gibt viele Situationen in der Fotografie, bei denen ein Genre zum Synonym für einen bestimmten Stil wird, der dann zum „Standard“ avanciert.

Meist ist dieser aber eher technischer und weniger künstlerischer Natur. Die Schärfentiefe ist ein dominierendes Beispiel. Während die Unschärfe von Hintergründen sicherlich kreative Vorteile und oft eine bewusste Wirkung hat, ist sie in anderen Fällen nur ein Nebenprodukt beim Einsatz größerer Blenden.

Natur- und Actionfotografie erfordern meist kurze Verschlusszeiten, um die Bewegung innerhalb des Bildes einzufrieren. Selbst bei relativ gutem Licht müssen die Objektive meist weit offen oder nahe der kleinsten Blende verwendet werden, was wiederum zu einem engen Fokusbereich führt.

Es ist daher hilfreich zu wissen, wie man diesen am besten nutzt.

Der Fokusabfall muss sich übrigens nicht immer auf Bereiche hinter dem Motiv beschränken. Verschwommene, nahe beieinander liegende Vordergrundelemente, wie z. B. die Vegetation, können sich mit den Schlüsselzonen des Bildes kreativ überschneiden.

Der entsprechende Schärfeverlauf führt dann zu diffusen Farbübergängen, die dem Bild zusätzliche Energie verleihen.

Solche Bilder können auch dazu beitragen, die Umgebung, in der sich das Motiv befindet, besser zu vermitteln.

Die Arbeit mit Farben im Bild ist eine Technik, die bei professionellen Fotografen weit verbreitet ist. Wenn etwas unscharf dargestellt wird, werden Details entfernt, sodass nur noch Farbe und Ton zur Verfügung stehen.

Ändere die Brennweite und deine Entfernung zum Motiv, um zu entdecken, wie Farben miteinander verschmelzen, wenn sich die scheinbar relative Größe von Objekten ändert. Versuche, Komplementärfarben zusammenzubringen, indem du den Aufnahmewinkel variierst.

Lange Brennweiten wie 500 mm bieten hier in Verbindung mit Blende f4 gestalterische Vorteile (z.B. Sigma 500mm f4,0 DG OS HSM).

Dazu trägt auch die Telekompression bei, die Hintergrundelemente im Bild größer und näher am Motiv erscheinen lässt. Ändere deine Position, um die Perspektive hervorzuheben, und zeige, wenn möglich, unterschiedliche Detailstufen im Bild.

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