23.04.2018

Grundsätze für das Dämmerungs- und Nachtsehen

Mancher Naturbeobachter wundert sich, dass er in der Dämmerung bzw. in der Nacht nicht richtig sieht und insbesondere Tiere durch die Fernoptik nicht hinreichend beobachten/anvisieren kann.

Auf dieses Phänomen wird nachfolgend in Kurzform eingegangen. Die entsprechenden Zielgruppen der Naturbeobachter und Jäger werden vereinfacht als „Naturbeobacher“ bezeichnet.

Auf moderne Nachtbeobachtungsgeräte auf elektronischer Basis wird nicht eingegangen.

Das „kommode“ Sehen

In der Dämmerung und in der Nacht ist wichtig, dass man ein „kommodes, stehendes“ Bild im Auge hat, also entspannt und ruhig über einen längeren Zeitraum beobachten kann.

Dies ermöglichen Weitwinkelokulare; hinter den optischen Werten z.B. 8×56 steht dann ein „W“ auf dem Fernglas eingraviert. Ein Weitwinkelokular verfügt über ein „außenseitiges Sehfeld“ von 60° und mehr, darunter versteht man kurz gefasst den Winkel von den Okularrändern bis zur Austrittspupille.

Durch ein Weitwinkelokular kann der Beobachter mit der Augenpupille in einem sehr großen Lichtraum „herumblicken“, ein ausgesprochen ermüdungsfreies Beobachten ist das Ergebnis.

Und das kann in der Nacht zwingend erforderlich sein, da wir deutlich länger mit dem Fernglas am Auge „ansprechen“ müssen als am Tag.

Die Bedeutung der Austrittspupille

Von ausschlaggebender Bedeutung für das Dämmerungs- und Nachtsehen ist die Austrittspupille. Sie ist der Lichtaustritt am hinteren Ende einer Fernoptik und bestimmt wesentlich die Bildhelligkeit im Auge.

Da der Naturbeobachter bei Dämmerung und in der Nacht möglichst viel Licht im Auge haben muss, ist eine große Austrittspupille von 6 – 7 mm erforderlich.

Da aber die Austrittspupille das Ergebnis von Objektivdurchmesser durch Vergrößerung darstellt, kommt es für ein helles Bild nicht auf den Objektivdurchmesser allein an, sondern auch auf die Größe der Austrittspupille!

Ein 20 x 60 Fernglas mit seiner sehr großen Objektivlinse fängt zwar viel Licht ein, ergibt aber durch die hohe Vergrößerung nur eine sehr kleine Austrittspupille von 3 mm Durchmesser.

Also unwesentlich mehr als ein kompaktes Taschenfernglas 8 x 20 (z.B. Leica Trinovid 8×20 BCA) mit 2,5 mm Durchmesser!

Allgemeine Unsicherheit besteht bezüglich der Größe der Austrittspupille des Fernglases im Vergleich zur menschlichen Augenpupille, also der Lichteintrittsöffnung in das menschliche Auge.

Die Augenpupille eines jungen Menschen beträgt am Tage ca. 2-3 mm. Mit sinkendem Licht vergrößert sich die Augenpupille je nach Lichteinfall automatisch ohne menschliches Zutun. Sie erreicht bei jungen Menschen bis ca. 30 Jahren in der Nacht ungefähr 7 – 8 mm.

Leider beginnt im Auge ab ca. 30 Lebensjahren ein biologischer “Schrumpfungsprozess“, der mit fortschreitendem Alter die Augenpupille ständig verkleinert.

Bei einem 60-jährigen Menschen ungefähr auf ca. 4 mm. Mehr als durch diese Pupille geht kein Licht in das Auge, da sich Licht bekanntlich nicht komprimieren lässt.

Der ältere Naturbeobachter kann somit das durch eine 7 mm große Austrittspupille eintreffende Licht eines 8 x 56 Fernglases tatsächlich nicht mehr ausnutzen. Ein Großteil des Lichtes geht an der kleineren Augenpupille vorbei und ist für das Bild im Auge verloren.

Größe der AustrittspupilleEs ist jedoch absolut falsch, als älterer Jäger auf eine größere Austrittspupille zu verzichten, wie immer wieder an Stammtischen zu vernehmen ist. Wir Menschen sind „zitternde“ biologische Systeme.

Dem perfekten, ruhigen Beobachten durch Ferngläser und -rohre sind deutliche Grenzen gesetzt. Aufregung, Pulsschlag, Angst, postalkoholisches Zittern und das ab 30 Lebensjahren ebenfalls auftretende „senile Alterszittern“ beeinträchtigen zunehmend das „ruhige Bild im Auge“.

Daher ist gerade für den älteren Naturbeobachter eine möglichst große Austrittspupille (großer Lichtraum) erforderlich, in welcher er mit seiner kleineren Augenpupille „herumrühren“ kann und er somit auch bei Zittern, Verwackeln oder Schrägeinblick immer maximales Licht in seinem Auge hat.

Die Dämmerungszahl, das unbekannte Wesen

Einfluß der Vergrößerung auf den Austrittspupillendurchmesser
Einfluß der Vergrößerung auf den Austrittspupillendurchmesser

Ein ebenfalls am Stammtisch historisch weit verbreiteter Irrtum besteht in der Annahme, dass Optik für die Dämmerung und Nacht immer eine große Dämmerungszahl aufweisen muss.

Diese Zahl findet sich in den Katalogen der jeweiligen Optik zugeordnet. Oder umgekehrt – so die Stammtischweisheit: Fernoptik für Dämmerung und Nacht benötigt eine möglichst große Dämmerungszahl.

Das ist leider weit gefehlt! Die Dämmerungszahl ist ein theoretischer Wert und grundsätzlich ohne praktischen Bezug, ja sogar irreführend für uns Naturbeobachter.

Ein 8×56 Fernglas besitzt eine Dämmerungszahl von 21; ein 30×56 Spektiv dagegen eine deutlich höhere Dämmerungszahl von ca. 44. Nach Stammtischweisheit müsste also ein Naturbeobachter in der Nacht statt des Fernglases lieber ein Spektiv nutzen.

Das tut er aber ganz sicher nicht.

Allein der Lichtaustritt nach hinten, also die Austrittspupille, sorgt für Helligkeit im Auge! Das heißt: die 7mm große Austrittspupille beim 8×56 Fernglas bringt viel Licht und die nur 2,3 mm kleine Austrittspupille des Spektives bringt wenig Licht in das Auge.

Ein Jäger kann die schwindende Helligkeit bei geringer werdender Austrittspupille mit seinem variablen Zielfernrohr nachvollziehen. Wenn in der Nacht beispielsweise bei 4-facher Vergrößerung die Bildhelligkeit noch ausreichend ist, wird sie bei steigender Vergrößerung deutlich reduziert.

So ab 8-facher Vergrößerung ist es allein durch Verringerung der Austrittspupille zumeist „zappenduster“ im Auge.

Die Dämmerungszahl gibt allerdings unterschiedliche Bildhelligkeit an, wenn bei unterschiedlichen Geräten die Austrittspupille gleich ist.

Beispiel: Ein SWAROVSKI OPTIK 8,5×42 hat die Austrittspupille von ca. 5mm, das baugleiche 10×50 exakt 5mm. In diesem Fall ergibt die höhere Dämmerungszahl des 10×50 eine größere Bildhelligkeit.

Alles Werte aber, die durch die enorme Verbesserung der optischen Qualität oftmals nur noch labortechnisch messbar sind.

Übrigens sagt die Dämmerungszahl nichts über optische Qualität aus. Ein HighEnd Fernglas (z.B. ZEISS Victory 10×42 T* RF) für über 2.000 Euro hat mit einer „optischen Gurke“ identische optische Zahlen.

Ein Hinweis auf die Augenfunktion

Einfach dargestellt gibt es auf der Netzhaut im Augenhintergrund zwei unterschiedliche Sehsensoren, die große Bedeutung für das Tag- bzw. Nachtsehen haben. Vereinfacht zur Funktion des Auges beim Sehen, es ist das Ergebnis einer kombinierten Augen-Gehirn Funktion.

Durch die Augenpupille fällt Licht auf die Netzhaut im Augenhintergrund. Die Sehsensoren leiten umgewandeltes Licht in das Gehirn weiter, wo es wieder als Bild zusammengesetzt wird.

Zunächst die tagaktiven Sensoren, sie sind der Farbfilm. Mit Ihnen sehen wir am Tag die Welt in Farben. Sie schalten sich schnell ein und aus, wie durch einen Lichtschalter betätigt.

Dummerweise sehen wir nur in einem kleinen Sehwinkel von ca. 2° scharf. Dort wo die 2°- Strahlen auf der Netzhaut auftreffen, befinden sich ausschliesslich tagaktive Sehsensoren.

Diese Stelle ist die Netzhautgrube. Weil in der Netzhautgrube keine nachtaktiven Sehsensoren vorhanden sind, können wir daher in der Nacht nicht scharf sehen! So ist es biologisch unmöglich, ein in der Nacht verstelltes Fernglas wieder scharf einzustellen.

Daher sollte es bei in der Helligkeit eingestellten Entfernung bleiben. Gegen unbeabsichtigtes Verstellen kann ggf. ein Klebeband als Notlösung helfen.

Funktion der Nachtsehelemente im Auge
Funktion der Nachtsehelemente im Auge

Die nachtaktiven Sehelemente sind der „Schwarz-Weiß Film“, daher stammt auch das Sprichwort: „Bei Nacht sind alle Katzen grau“.

Sie fahren bei Dunkelheit langsam ihr Aktivität hoch, nach ca. 10-20 Minuten können wir in der Nacht bei gewissem Restlicht (Sternenlicht, Streulicht von Wolken etc.) brauchbar sehen.

Die nachtaktiven Sensoren schalten sich aber bei Licht z.B. durch Taschenlampen- oder Feuerzeugschein sofort aus, die tagaktiven im Gegenzug sofort ein.

„Licht aus“ bedeutet schlagartiges herunterfahren der tagaktiven Sehsensoren. In diesem Zustand ist man nachtblind! Die nachtaktiven Sensoren fahren danach erst ganz allmählich wieder ihre Funktion „hoch“.

Nachtblind durch Smartphone
Nachtblind durch Smartphone

Hierzu ein praktisches Beispiel: Naturbeoachter Hasenklau verlässt in der Dunkelheit eine hellerleuchtete Hütte, um einen Nachtspaziergang zu machen. Draußen versuchen die tagaktiven Sehsensoren in der Dunkelheit noch Licht aufzufassen, leider vergeblich.

Daher fahren sie ihre Funktion schon nach ganz kurzer Zeit herunter. Somit ist Naturbeobachter Hasenklau nachtblind, er sieht nichts mehr.

Doch bald aktivieren sich die nachtaktiven Sehsensoren und nach den beschriebenen 10-20 Minuten kann er bereits relativ gut sehen, entsprechendes Fremdlicht vorausgesetzt.

Irgendwann beginnt Hasenklaus Nachtsehdrama: er schaut irgendwann auf seine Uhr, die er dazu kurzfristig mit der Taschenlampe anleuchtet. Sofort deaktivieren sich die nachtaktiven und gleichzeitig aktivieren sich die tagaktiven Sehelemente.

Die Uhr ist hellerleuchtet und die Uhrzeit erkennbar. Nach dieser Information schaltet er die Taschenlampe aus.

Jetzt deaktivieren sich sofort die kurzfristig eingeschalteten tagaktiven Sehsensoren und die nachtaktiven beginnen ganz langsam wieder ihre Funktion hochzufahren.

Just in diesem Moment knackt es auf der Lichtung, leider bringt der Blick durch das Fernglas keinen Erfolg: Naturbeobachter Hasenklau hat sich durch das Einschalten des „Farbfilms“ künstlich nachtblind gemacht und muss erneut 10-20 Minuten warten, bis er wieder brauchbar sehen kann.

Für Jäger interessant: auch Mündungsfeuer macht ein ganz erhebliches Licht und führt zur Nachtblindheit.

Für eine erfolgreiche Nachtbeobachtung sollte demnach die Regel lauten: Licht bleibt aus!
Ganz übel wirken sich dauerhafte Lichtquellen, wie Stirnlampen zum Lesen, das beleuchtete Smartphones oder Laptops aus.

Wer diese Geräte während der Nachtbeobachtung nutzt, macht sich nachtblind!

Zusammenfassung

Die vorgenannten Hinweise erheben keinen Anspruch auf Vollzähligkeit! Sie sollen nur einen kleinen Hinweis geben, welche wesentlichen optischen Bedingungen für das Dämmerungs- und Nachtsehen gelten.

Grundsätzlich gilt:

Zum Beobachten in der Dämmerung bzw. in der Nacht ist High End Optik und eine ca. 6-7 mm große Austrittspupille die annähernd optimale Lösung.

Weiterführende Themen wie u.a.:

  • die Bedeutung optischer Qualität
  • negativer Einfluß von Linsenverschmutzung auf die Bildgüte

sind bewusst ausgeklammert und werden in weiterführenden Blogbeiträgen behandelt.

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