30.07.2021

Fotografin Judith Döker im Interview

Die Schauspielerin und Buchautorin Judith Döker arbeitet seit 2016 auch als Fotografin. Ihre Reisen führten sie u. a. nach Syrien, Pakistan, Libanon, Iran und Kolumbien. Ihre Fotografien wurden international in Einzelausstellungen gezeigt und mit einer Honorable Mention der „International Photography Awards“ in New York ausgezeichnet.

Noch bis zum 19. September 2021 ist Judith Döker mit gleich zwei Ausstellungen im LVR-LandesMuseum Bonn zu Gast. Dabei geht die Berliner Künstlerin den Fragen nach, was Glück für die Menschen bedeutet, und wie die Musik Menschen verbinden kann.

Für dein Projekt „Drei Fragen: Glück“ hast du viele Menschen danach gefragt, was Glück für sie bedeutet und was sie tun können, damit sie häufiger Glück erleben. Welche Erfahrungen hast du dabei auf deinen Reisen gemacht?

In Deutschland ist es mir ein paar Mal passiert, dass mich Leute verwundert ansahen, wenn ich sie fragte: „Entschuldigung, ich würde Ihnen gerne drei Fragen zum Glück stellen.“ Eine typische Antwort war dann: „Glück? Zu dem Thema fragen sie lieber jemand anderen.“

Wenn ich dann aber einfach die erste Frage „Wann waren Sie denn das letzte Mal glücklich?“ stellte, ließen sich die meisten gerne darauf ein und öffneten sich. Das ist jedes Mal ein wunderschöner Moment, wenn sich ein Mensch, dem es gerade nicht besonders gut geht, mit dem Gefühl von Glück verbindet.

Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich dieses Projekt so liebe. Denn die Auseinandersetzung mit den Fragen generiert Glück, aber auch Nähe und Verständnis.

Außerdem funktionieren die drei Fragen überall auf der Welt – völlig unabhängig von Kultur, Bildung oder Weltanschauung.

Einige Menschen, mit denen du gesprochen hast, haben in ihrem Leben viel durchgemacht. Wie war das für dich als Fragenstellende und als Fotografin, wenn du jemandem gegenüberstehst, dem es vielleicht schwerfällt, glücklich zu sein?

Was ich gelernt habe: Schwierige äußere Lebensumstände haben relativ wenig damit zu tun, ob es einem Menschen gelingt, Glück zu empfinden.

Ein Beispiel: Die syrische Künstlerin Kefah (Porträtbild unten) erzählte mir, dass sie morgens aus einem Traum erwachte und einfach nur super glücklich war. Zu diesem Zeitpunkt saß sie in einer winzigen Gefängniszelle ohne Fenster. Sie begann zu singen.

Der Wärter pochte an ihre Tür und schrie sie an, sie solle damit aufhören. Also hörte sie auf zu singen, aber ihr Gefühl von Glück war ungebrochen. Gerade auf meinen Reisen in Krisengebiete bin ich immer wieder Menschen begegnet, deren Liebe zum Leben einfach stärker ist als die Schwierigkeiten, denen sie ausgesetzt sind.

Aber natürlich habe ich auch Menschen getroffen, denen es überhaupt nicht gut ging. Das beste ist dann, mit den Menschen zu fühlen und sie, wenn möglich, einfach in den Arm zu nehmen.

Judith Döker
„Drei Fragen: Glück“ (© Judith Döker)
Aufnahme-Details: Olympus OM-D E-M1 Mark II mit M.Zuiko Digital ED 75 mm F1.8 | 150 mm (KB) | f/2,5 | 1/200s | ISO 500

Wie hast du es als Fotografin geschafft, Vertrauen zu den dir fremden Menschen aufzubauen?

Das Wichtigste für mich ist, dass ich mein Herz für den Menschen vor meiner Kamera öffne. Die Frage nach dem Vertrauen stellt sich dann in aller Regel gar nicht mehr. Vertrauen ist dann einfach da und beruht auf Gegenseitigkeit.

Vermeiden sollte man meiner Meinung nach, sich als Fotograf:in auf eine Beobachterrolle zu reduzieren. Fotografie ist Dialog. Ich muss selbst etwas von mir reingeben, damit eine echte Verbindung entsteht, die dann auf den Fotos auch sichtbar bzw. spürbar ist.

Lass uns einen Blick in deine Fototasche werfen. Mit welcher Kamera und welchen Objektiven bist du unterwegs?

Ich fotografiere mit der Olympus OM-D E-M1 Mark II und habe meist ein Zoom-Objektiv (M.Zuiko Digital ED 12‑40 mm F2.8 PRO) und zwei Festbrennweiten (M.Zuiko Digital ED 75mm F1.8 und M.Zuiko Digital 45mm F1.8) dabei. Da ich viel unterwegs bin, ist es für mich wichtig, dass mein Equipment leicht ist. Außerdem mag ich die Farben meiner Olympus-Kamera sehr.

Das LVR-LandesMuseum Bonn zeigt in der Parallel-Ausstellung „Beethoven Moves!“ Bilder von dir, die du mit dem Beethoven Orchester Bonn in der Ciudad Don Bosco in Medellín, Kolumbien aufgenommen hast. Wie war diese Erfahrung für dich?

Bei „Beethoven Moves!“ trafen Musiker:innen des Beethoven Orchesters Bonn auf ehemalige Kindersoldat:innen und Straßenkinder aus den Brennpunktvierteln Medellíns, um Beethovens 5. Sinfonie mit Hilfe von Rap, Tanz und Graffiti neu zu interpretieren.

Das war ein tolles Erlebnis, weil dieses Projekt absolut auf Augenhöhe stattfand und beide Welten unglaublich viel voneinander lernen konnten.

Besonders berührt hat mich die große Freude und Neugier aller Beteiligten. Als Fotografin versuche ich, den Moment zu erwischen, in dem sich ein Mensch vollkommen öffnet, oder in dem eine große Lebendigkeit, oder auch Zartheit zu spüren ist. Von diesen Momenten gab es einige, für die ich sehr dankbar bin.

„Beethoven Moves!“ (© Judith Döker)
Aufnahme-Details: Olympus OM-D E-M1 Mark II mit M.Zuiko Digital ED 12‑40 mm F2.8 PRO | 30 mm (KB) | f/2,8 | 1/160 s | ISO 2.000

Als Fotografin hast du dich bei dem Projekt mehr im Hintergrund gehalten und die verschiedenen Situationen dokumentiert. Wie bist du an die Aufnahmen herangegangen?

Bei diesem Projekt habe ich mich auf physischer Ebene eher im Hintergrund gehalten, aber emotional war ich voll dabei. Sonst könnte ich die Lebendigkeit und Emotionalität gar nicht einfangen.

Auch bei der Dokumentar-/Reportagefotografie geht es nicht nur darum, eine gute Beobachterin zu sein, sondern auch mitzufühlen. Denn dieses Gefühl überträgt sich auf die Fotos.

Judith Döker

„Das Schönste ist, wenn ich mit der Kamera den Moment erwische, in dem sich ein Mensch vollkommen öffnet.“

Judith Döker (©Mirjam Knickriem)

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