10.09.2018

Die Leica M10

»Begeisterung ist der unverkennbare Beweis dafür, dass Du in Deine Arbeit verliebt bist.«
– Ursprung ungeklärt, aber wahr

Ach ja, die liebe Gewohnheit. Wer sich täglich mit den Kameras aller gängigen Hersteller konfrontiert sieht, entwickelt selbst bei den großen Entwicklungsschritten mancher Hersteller keine übermäßigen Frühlingsgefühle, denn dafür sind die Kameragehäuse und ihre Bedienung zu vertraut. Bitte nicht missverstehen: Die Wertschätzung gegenüber Kameras bleibt auch nach Jahren erhalten. Man wird nur nicht bei jedem Upgrade aus den Socken gehauen. Und das ist sehr gesund für’s Portemonnaie.

Ende 2017 durfte ich zum ersten Mal bewusst mit einer Leica M fotografieren. Genau genommen war das ein schwerer Fehler, denn das war leider sehr ungesund für’s Portemonnaie — ich kaufte mir eine. Meinen Eindruck von dieser Kamera möchte ich gerne mit Euch teilen, allerdings stieß ich bei der Vorarbeit auf diesen Beitrag schnell auf eine problematische Frage: Wer ist die Zielgruppe für die Beschreibung einer Leica M?

Wer bereits mit einer Leica M fotografiert, hat ziemlich genaue Vorstellungen davon, was von einem Umstieg auf eine Leica M10 zu erwarten ist. Wer bisher nicht mit einer Leica M fotografiert, wird wohl nicht von mir zu einem Kauf bewegt werden.

Also warum dieses Review?

Egal, auf welcher Plattform man von Leica M Fotografen über dieses System informiert wird, geht es neben der Technik vor allem um das Gefühl, das die Fotografie mit solchen Kameras hervorruft. Und das lässt sich mit keiner anderen Kamera substituieren. Eine rein nüchterne und trockene Technik-Abhandlung ist deshalb ohnehin nicht sinnvoll.

Und da Fotografie immer mit Emotion zu tun hat, sehe ich hier den wichtigsten Beweggrund für diese Zeilen und damit letztendlich auch die Daseinsberechtigung für diesen Beitrag.

Zum besseren Verständnis teile ich dieses Review in zwei Kategorien. Auf geht’s.

DIE LEICA M10 – EINE RATIONALE BETRACHTUNG

Das Gehäuse

Die Kamera liegt satt in der Hand und fühlt sich hochwertig an. Das liegt am Vollmetall-Gehäuse aus einem Aluminium-Druckguss und den aus Messing gefertigten Deckel- und Bodenplatten. Berücksichtigt man das recht kompakte Gehäuse (ca. 139 x 38,5 x 80 mm), wirkt das Gewicht von gut 660 Gramm stattlich. Je nach Objektiv kommt hier ein Kilogramm (und mehr) schnell zusammen.

Im Vergleich zu den Vorgängern M9 und M (Typ 240) mit all ihren Iterationen hat Leica es geschafft, die M10 auf analoge Dimensionen zu schrumpfen.

Die Leica M10 von vorne.

Schon schön: Die Leica M10.

Die Bedienelemente

Auf der Oberseite begrüßen den Fotografen neben dem Auslöser mit Ein-/ Ausschalter und einem Blitzschuh zwei Rädchen: Eins für die Verschlusszeit und eins für die ISO. Die Verschlusszeit lässt sich neben der Automatik auf Bulb stellen, oder man wählt manuell zwischen 8 Sekunden und 1/4.000 Sekunde.

Durfte man bei der M (Typ 240) am Ein-/ Ausschalter noch die Aufnahmebetriebsart — also Einzelbild, Serienbilder oder Selbstauslöser — definieren, gibt es an der M10 nur noch zwei Schalterstellungen: An und aus. Anfangs irritierend: In der Schalterstellung Aus ist ein roter Punkt sichtbar, der rein psychologisch die Betriebsbereitschaft signalisiert.

Ich habe schon so manches Mal eine eingeschaltete Kamera in die Tasche gesteckt, nur um dann ein paar Tage später einen unbeabsichtigten Stromverbrauch zur Kenntnis nehmen zu dürfen.

Aber man gewöhnt sich dran.

Im Vergleich zu den Vorgängern absolut neu ist hingegen das ISO-Rädchen, das wegen der Positionierung an die Film-Rückspul-Kurbeln analoger M-Kameras erinnert. Ob ich mit der Funktionsweise dieses Rädchens glücklich bin, kann ich aktuell noch nicht sagen.

Das Rädchen sitzt sehr fest auf der Kamera und muss zum Verstellen der ISO mit zwei Fingern angehoben werden. Hat man sich für eine Empfindlichkeits-Einstellung entschieden, wird das Rädchen zur Verriegelung herunter gedrückt.

Okay, man muss das Rädchen nicht verriegeln, aber konsequent hochgestellt fühlt es sich irgendwie falsch an.

Die ISO lässt sich hier auf automatisch oder manuell von 100 bis 6.400 regeln. Die Position M kann im Menü auf einen gewünschten ISO-Wert fixiert werden. An meiner M10 habe ich mich hier für ISO 10.000 entschieden.

Die Leica M10 von oben.

Die Leica M10 von oben: Schlicht und übersichtlich.

Auf der Rückseite der Kamera finden sich neben einem hochauflösenden 3 Zoll Display drei Tasten, ein Steuerelement und ein weiteres Rädchen für die Bedienung mit dem Daumen.

Dieses zusätzliche Rädchen lässt sich mit verschiedenen Funktionen belegen oder deaktivieren. Ich habe hier die Belichtungskorrektur für Situationen hinterlegt, in denen ich nicht komplett manuell belichte.

Mit den drei Tasten aktiviert man den Live View (LV), zeigt die geschossenen Fotos an (Play) und ruft das Menü auf. Das Bedienelement — vier Pfeiltasten und eine Taste für die Bestätigung — nutzt man selbstverständlich für alle Dinge, die über das Display eingestellt werden wollen.

Die Bestätigungstaste erlaubt zusätzlich das Aufrufen der wichtigsten Systeminformationen. Akkustand und Speicherkapazität wollen ja durchaus ab und an mal gecheckt werden.

Die Leica M10 von hinten.

Die Rückseite der Leica M10: Entspannt aufgeräumt.

Auf der Vorderseite haben sich zwei Bedienelemente neben das Objektivbajonett gekuschelt: Eine programmierbare Funktionstaste und ein Bildfeldhebel. Mit letzterem lassen sich die Begrenzungsrahmen verschiedener Brennweiten im Sucher einblenden. Das ist ganz praktisch, wenn man sich mal nicht sicher ist, ob sich ein Objektivwechsel gerade lohnt.

Bei mir hat der Bildfeldhebel dafür gesorgt, dass ich mir zu meinem aktuellen 35 mm Summicron noch ein 50er leisten werde. Clever, Leica.

Oben thronen wie bei jeder M der Sucher und das Messfenster. Beide wollen stets sauber gehalten werden, sonst wird’s mit dem Scharfstellen schwierig.

An den Seiten finden wir mit Ausnahme der Gurt-Aufhängung absolut nichts, die Kamera ist hier komplett geschlossen. Akku und Speicherkarte werden Leica-typisch nämlich unten eingesetzt. Für den Zugriff muss die Bodenplatte mit einem leichten Dreh an einem klappbaren Rad abgenommen werden.

Dieses Detail aus der analogen M-Ära stößt interessanterweise manch einem Leica M Rezensenten als unpraktisch auf. Ich finde diese Anlehnung an einen Filmwechsel eher sympatisch und in letzter Konsequenz sogar goldrichtig, denn so wird auf irgendwelche Plastikabdeckungen am Kameragehäuse verzichtet.

Die Leica M10 von unten mit abgenommener Bodenplatte.

Die Leica M10 von unten: Die Bodenplatte muss für den Zugriff auf Speicherkarte und Akku entnommen werden. Ich mag’s.

Das Bajonett

Da Leica beim M-System auch bei der M10 an komplett mechanischen Objektiven festhält, kann logischerweise keine elektronische Kommunikation zwischen Optik und Kamera erfolgen. Damit die Kamera Objektiv-bedingte Bildfehler korrigieren kann, muss sie jedoch wissen, mit welchem Glas sie es gerade zu tun hat.

Aktuelle M-Objektive verfügen deshalb über eine Schachbrett-Kodierung (ähnlich der DX-Kodierung analoger Kleinbildfilme), die am Bajonett ausgelesen wird.

Was Leica-Frischlingen wie mir sofort auffällt: Anders, als bei allen anderen Kameras, die ich bisher nutzen durfte, ist der Weg vom Ansetzen zum Einrasten des Objektivs sehr kurz. Nur mal so als Randnotiz.

Das Bajonett der Leica M10.

Das Bajonett der Leica M10. Der gestreifte Verschluss im Inneren der Kamera dient zur Belichtungsmessung.

Der Akku

Mit einem schmaleren Gehäuse musste im Vergleich zu den Vorgängern leider auch der Akku schlanker werden und entsprechend Leistung einbüßen. Da ich auf den Live View grundsätzlich verzichte und auch selten Bilder per WLAN an mein iPhone schicke, komme ich schon recht lange mit einer Ladung über die Runden.

Grundsätzlich empfehle ich jedoch dringend, wenigstens einen Ersatzakku in die Anschaffung mit einzuplanen. Das Risiko, beim Akku gespart zu haben, und deshalb einen luxuriösen Briefbeschwerer mitzuführen, würde ich in jedem Fall minimieren.

Für manche mag das jetzt vielleicht seltsam klingen, aber was ich absolut gar nicht gelungen finde, ist das mitgelieferte Ladegerät. Vermittelt der Charger der M (Typ 240) dank des eingelassenen roten Leica-Logos und der abgerundeten Form eine hohe Wertigkeit, wirkt das lediglich mit dem Logo bedruckte Klötzchen der M10 vergleichsweise billig.

Diese offensichtliche Sparmaßnahme hätte für mein Empfinden nicht sein müssen.

Die Haptik

Okay, na gut… sie ist ein Klotz, und Ergonomie ist irgendwie was anderes. Für Fotografen, die so gar keinen Halt finden, bietet Leica eine optional erhältliche Daumenstütze an. Ich habe mich für den Leica Protektor entschieden, der mit einer kleinen Wulst die Kamera griffiger macht.

Die Speicherkarte

Leica setzt auch bei der M10 auf SD-Speicherkarten. Profis hätten sich hier bestimmt zwei Kartenslots gewünscht, aber das bleibt eben ein Wunsch. Die M10 will mit SDXC-Karten gefüttert werden, ist jedoch recht wählerisch und akzeptiert nicht jede x-beliebige Karte ohne die eine oder andere Verdauungsstörung.

So klagen zahlreiche Nutzer über nicht gespeicherte Aufnahmen bei der Verwendung bestimmter Karten.

Ich selbst habe eine Lexar 128 GB 1.000x Karte im Einsatz, die der Kamera scheinbar gut schmeckt. Verschluckt hat die Kamera bisher jedenfalls nichts.

Schön wäre es außerdem gewesen, hätten die Wetzlarer (Leica hat den Hauptsitz im hessischen Wetzlar) einen UHS-II Slot mit seinen Geschwindigkeitsvorzügen verbaut. UHS-I war scheinbar schnell genug. Meine Karte funktioniert aber wie gesagt dennoch tadellos, und wenigstens am Rechner genieße ich den UHS-II Speedboost.

Der Sensor

Der 24 Megapixel Vollformat CMOS-Sensor der M10 lässt Leica gefühlt zum ersten Mal in der modernen Digitalfotografie ankommen, und das liegt vor allem am Rauschverhalten. War die M9 schon bei ISO 800 nicht wirklich lecker, ließ sich der Nachfolger M (Typ 240) bestenfalls noch bis ISO 3.200 gebrauchen.

Die M10 erlaubt maximal ISO 50.000, ISO 6.400 nutze ich absolut schmerzfrei, ISO 10.000 ist durchaus brauchbar, meine Schmerzgrenze ist bei ISO 12.500 erreicht. Damit relativiert sich auch der unbedingte Einsatz der Lichtriesen Noctilux und Summilux, denn mit solchen ISO-Reserven bin ich mit meinem Summicron (maximale Blendenöffnung f/2.0) bisher an keine Grenzen gestoßen. Und ja, ich fotografiere auch durchaus gerne bei low light.

Angesichts der Auflösung würde ich auf großzügige Crops verzichten (sofern man denn großformatige Ausbelichtungen anfertigen möchte), aber Konzentration ist beim Fotografieren mit einer M ohnehin gefragt. Da darf man also auch den Ausschnitt schon vor dem Auslösen so setzen, wie man ihn haben möchte.

Das Menü

Leica lässt die hauseigenen Produktvorstellungen unter dem Motto Das Wesentliche firmieren. Dieses selbstauferlegte Credo merkt man der M10 in jedem Detail an.

Mit Druck auf die Menü-Taste wird man vom selbst zusammengestellten Favoriten-Menü begrüßt, das nicht über eine Bildschirmseite hinausgeht. Aufnahmebetriebsart, JPEG-Einstellungen, WLAN, Karte formatieren – alles ist sofort erreichbar. Da könnten sich andere Hersteller gerne mehr als nur eine Scheibe abschneiden.

Wer tiefer ins Menü eindringen möchte, drückt einfach noch einmal auf die Menü-Taste und darf sich auf etwas mehr als drei Seiten durch die Optionen wühlen, die nicht kompliziert verschachtelt, sondern simpel direkt anwählbar sind.

Das Favoritenmenü der Leica M10.

Das Favoriten-Menü der Leica M10: Schlicht genial.

Die Bedienung

Das Fotografieren mit einer Leica M ist im Grunde genommen ein recht simpler Prozess: Blende am Objektiv einstellen, Verschlusszeit und ISO bestimmen, Schärfe über den Messsucher am Objektiv dosieren, auslösen.

Was die Messsucherkamera dabei von allen anderen (aktuellen) Kamerasystemen unterscheidet: Der Sucher arbeitet unabhängig vom Verschluss der Kamera. Ein Auslösen lässt den Fotografen deshalb nicht erblinden.

Außerdem sieht man unabhängig vom angesetzten Objektiv stets den Bildausschnit von 28 Milimetern Brennweite, lediglich die eingeblendeten Begrenzungsrahmen definieren die zu erwartende Bildkomposition. Damit ist es ein Leichtes, sich bewegende Motivanteile zu antizipieren und in die Aufnahme einzuplanen.

Klingt verkopft? Dann einfach: Man kann voraussehen, ob gleich jemand ins Bild latscht. Cool.

So simpel, wie es jetzt klingt, ist es für viele von Automatiken verwöhnte Fotografen dann doch nicht. Kein Autofokus, keine Blendenautomatik, ausschließlich eine mittenbetonte Belichtungsmessung, ein starrer Bildausschnitt im Sucher mit doch deutlicher Parallaxe bei Aufnahmen in Nahbereich – das wirkt für manche umständlich und unnötig altbacken.

Immerhin: Andere Belichtungsmessmethoden und eine Belichtungsvorschau können über den Live View genutzt werden.

Warum das alles jedoch den Reiz einer Leica M ausmacht, beleuchte im zweiten Abschnitt meines Reviews. An dieser Stelle nehmen wir das einfach mal so hin.

Die Geschwindigkeit

Fünf Bilder pro Sekunde im Serienbild-Modus gleicht der Lichtgeschwindigkeit – sofern man schon länger im Leica M-System beheimatet ist. Wer die mitunter atemberaubenden Geschwindigkeiten anderer Hersteller kennt und nutzt, wird hier müde mit den Achseln zucken.

Auffällig ist auch der deutlich größere Buffer. Muss man bei einer M9 im Eifer des Gefechts so manche kreative Denkerpause einlegen, weil die Kamera gerade fröhlich die Speicherkarte bespaßt, darf die M10 zackig und zig Male hintereinander ausgelöst werden.

Damit ist die M10 sicherlich kein Weltrekordler, aber sie steht sich auch nicht selbst im Weg.

Das Subjektive

Eine Leica M ist eigentlich nichts anderes als ein Halter für M-Objektive. Wie immer entscheidet auch bei Leica die verwendete Optik über die Qualität die Bilder.

Und Leica-Gläser gehören zu den besten der Welt.

Aber wie in jeder anderen Kamera kann der Fotograf entscheiden, ob er die Veredelung der Lichtinformationen, die durch das Glas auf den Sensor gelangen, der Kamera überlässt und somit das JPEG Format nutzt, oder ob das Foto so roh wie möglich in Form einer (in diesem Fall komprimierten) DNG-Datei auf die Speicherkarte geschrieben wird.

Ich nutze beide Dateiformate und fotografiere meine JPEGs konsequent in Schwarzweiß. Wer in Farbe fotografiert, darf im Menü der M10 bei Schärfe, Kontrast und Sättigung ein Wörtchen mitreden. Wer aber wie ich Schwarzweiß favorisiert, muss das JPEG nehmen, wie es kommt.

Mir fehlt es oftmals ein wenig an Kontrast. Außerdem hätte ich mir gewünscht, Farbfilter vorwählen zu können. So ein Orange- oder Rotfilter kommt bei Porträts einfach immer gut. Naja, man kann nicht alles haben.

Wer sich aber die RAWs zur Brust nimmt, stellt schnell fest: Da geht noch was. Ja, Highlights sind wie bei allen Vorgänger-Ms noch immer problematisch, aber durchaus besser zu bändigen, als noch bei der M (Typ 240). Als vorheriger Micro Four Thirds Fotograf bin ich mit dem Dynamikumfang nicht nur zufrieden, sondern bei jeder RAW-Entwicklung schlicht begeistert, was sich so alles aus Lichtern und Schatten noch herausholen lässt.

Das Moderne

Wie schon erwähnt verfügt die M10 über eine WLAN-Funktion. Damit lässt sich mit der (iOS-exklusiven) App auf iPhone oder iPad kommunizieren, um aus der Ferne auszulösen oder Bilder zu importieren.

Die Verbindung läuft dabei stabiler, als ich das von jedem anderen Hersteller kenne. Und flexibler, denn die Kamera kann ein eigenes WLAN-Netzwerk bereitsstellen oder mit einem bestehenden Netzwerk verbunden werden.

Wer schonmal sein Smartphone vom heimischen Netzwerk trennen musste, um sich mit der Kamera zu verbinden, wird nachvollziehen können, wie viel schöner die Leica-Lösung ist.

Ebenfalls schon erwähnt habe ich den Live View. Wer mit kritischen Brennweiten — bei einer Messsucherkamera betrifft das sowohl den Tele-, als auch den extremen Weitwinkelbereich — fotografiert, kann dank Live-View-Zoom und Focus-Peaking auch mit manuellem Fokus sauber arbeiten.

Bei einer sonst eher spartanisch anmutenden Kamera überraschen diese Funktionen jedenfalls ein wenig mit perfekter Umsetzung.

Darauf wurde verzichtet

Die Leica M10 lässt keine Video-Aufnahmen zu, was trotz Live View Funktion erstmal irritiert. Ich habe drei Theorien, warum darauf verzichtet wurde.

Erstens ist der Stromverbrauch beim Filmen erheblich höher als beim Fotografieren. Der kleinere Akku wäre deshalb schneller am Ende seiner Leistungsfähigkeit.

Zweitens ist bei einem schlankeren Gehäuse von einer größeren Hitzeentwicklung auszugehen. Das wäre weder der Bildqualität noch der Haltbarkeit der Materialien zuträglich.

Drittens erwarten Filmer Schnittstellen für Audio-Equipment und externe Monitore. Damit wäre es passé mit einem schlichten, aufgeräumten und in sich geschlossenen Kameragehäuse.

Weiterhin kommt die M10 mit keinerlei Schnittstellen. Damit verbieten sich Tethered-Shooting via USB oder der direkte Anschluss eines Studioblitzes über Synchronkabel. Schade, aber wieder durchaus nachvollziehbar. Keine Steckverbindungen bedeuten auch weniger Schwachstellen.

Das technische Fazit

Die Leica M10 bietet moderne Vollformat-Qualität in einem kompromisslos hochwertigen Gehäuse. Die Reduzierung auf die essentiellsten Funktionen entspricht der M-Philosophie und wird von der Zielgruppe auch so erwartet. Die gesamte Kamera und die Handhabung fühlen sich ihrem aufgerufenen Preis entsprechend erstklassig an.

Wer von einer Kamera nichts anderes als pure Fotografie erwartet, dürfte von einer Leica M10 jedenfalls nicht enttäuscht werden.

Die Leica M10 vor einer Billingham Tasche.

Meine Leica M10 im roten Leica Protektor vor meiner derzeitigen Lieblingstasche, der Billingham Hadley Pro Small.

LEICA M10 – EINE IRRATIONALE BETRACHTUNG

“Veraltet, umständlich und überteuert” sind die Standard-Argumente der Leica-Kritiker, die im Grunde nur die Wahl ihres eigenen Kamerasystems verteidigen wollen und gerne andere Systeme schlecht reden.

Widmen wir uns doch mal diesen Kritikpunkten im Einzelnen.

Veraltet

1914 erfand Oskar Barnack die Kleinbild-Fotografie mit der Ur-Leica. Das Leica M-Bajonett wurde 1954 eingeführt. Das bedeutet, dass sämtliche M-Objektive, die ab 1954 gefertigt wurden, auch heute ohne Adapter an einer Leica M genutzt werden können. Für Objektive mit dem früheren M39-Schraubgewinde gibt es selbstverständlich einen Adapter.

Die Gehäuseform und die Bedienung haben sich seit 1954 nicht grundlegend geändert. Wer bereits analog mit einer Leica fotografiert, fühlt sich mit einer digitalen M sofort wohl.

Eine Modernisierung und damit vollständige Änderung des M-Konzepts würde den meisten M-Fotografen deshalb ohnehin nicht gefallen. Das Argument, die Leica M sei veraltet ist somit völlig sinnlos, denn ihre Treue zur Leica-Historie ist eine bewusste Entscheidung.

Umständlich

Sicherlich wird ein Einsteiger mit der Bedienung einer Leica M völlig überfordert sein, fehlt doch aufgrund der konsequent manuell einzustellenden Blendenöffnung eine Vollautomatik.

Die Leica M richtet sich jedoch gar nicht an Einsteiger, sondern ist für Menschen gedacht, die Blende, Verschlusszeit und Empfindlichkeit als Selbstverständlichkeit betrachten.

Ist man also erstmal an einem Punkt, an dem man sich nur noch um das Belichtungs-Einmaleins schert, geht die Bedienung einer Leica M um ein Vielfaches leichter von der Hand, als mit einem modernen Technik-Boliden.

Sicher, den manuellen Fokus muss man üben. Aber mit ein wenig Erfahrung lässt sich damit mindestens genau so präzise und schnell arbeiten, wie mit so manchem Autofokus.

Farbloses Gestrüpp.

Haben wir zum Ausprobieren wohl alle schon fotografiert: Gestrüpp bei Offenblende.

Überteuert

Ja, man zahlt auch einen Aufpreis für den Namen — wie bei allen anderen Premium-Herstellern auch. Was aber Leica von den anderen Kameraherstellern abhebt: Die Fertigung der Kameras und Objektive erfolgt in Wetzlar und Solms. Dort werden keine unterbezahlten Lohnsklaven unter grausamen Bedingungen beschäftigt. Und allein unter diesem Gesichtspunkt relativiert sich der Preis recht schnell.

Natürlich kann man Pech haben und auch von Leica mal ein typisches Montags-Modell erwischen (da arbeiten eben auch nur Menschen), aber die Material- und Verarbeitungsqualität liegt deutlich über dem (Plastik-) Standard anderer Marken.

Außerdem überzeugt der Service auf ganzer Linie. So hatten Kunden auch Jahre nach dem Kauf einer Leica M9 bei Problemen mit dem Sensor die Möglichkeit, den Sensor kostenlos von Leica wechseln zu lassen. Und so ein Sensor ist nicht das günstigste Bauteil.

Warum eine Leica M?

Die Entscheidung für das Leica M System ist für mich eine kuriose Mischung verschiedener Faktoren. Zunächst mal ist das Gefühl, eine Leica in der Hand zu haben, mit keiner anderen Kamera zu vergleichen. Das Gehäuse und die Objektive wirken dank ihrer Fertigung mit höchster Präzision und Liebe zum kleinsten Detail wie pure Fotografie-Schmuckstücke.

Weiterhin fasziniert die Konzentration auf ein absolut puristisches Fotografie-Erlebnis. Man will gar nicht nach jeder Auslösung auf das Display schauen, man möchte einfach immer weiter fotografieren. Die Handhabung motiviert ungemein. Die Kamera ist nicht schlichtes Mittel zum Zweck, sie wird Teil des kreativen Prozesses.

So passiert es mir auch des Öfteren, dass ich mich entscheide, einfach mal so fotografieren zu gehen, ohne mir vorher ein bestimmtes Motiv überlegt zu haben. Das war mit allen meinen vorherigen Kameras ganz anders. Mit der Leica brauche ich keinen Anlass zum Fotografieren, denn sie selbst ist der Grund, fotografieren zu wollen.

Beim Kartenspielen.

Wenn ich grad eh nicht an der Reihe bin, kann ich auch fotografieren.

Darüber hinaus findet dank der Kombination aus Messsucher und analog anmutender Bedienung eine gewaltige Entschleunigung statt. Mit einer Leica M geht es nicht um husch, husch produzierte Schnellschüsse, sondern um ein ganz bewusstes Gestalten von Bildern.

Zu guter Letzt ist die Empfindung, mit dem Erwerb der Leica M10 angekommen zu sein, nahezu unbeschreiblich. Das Grübeln über die Vorteile von Kamera x gegenüber Kamera y und ein unsicheres “Ach, hätt’ ich doch…” sind weg. Ich vermisse absolut nichts.

ZUSAMMENFASSUNG

Eine rein rationale Entscheidung ist der Erwerb einer Leica M10 definitiv nicht. Technisch punktet die Kamera mit moderner Vollformat-Qualität, exzellenten Objektiven und einem sehr aufgeräumten Bedienkonzept.

Emotional packt manche Fotografen das Phänomen M, andere lässt es kalt. Mich hat es voll erwischt. Und hätten wir hier eine Punktvergabe für Reviews, ich gäbe 11 von 10 Punkten.

Ein guter Rat zum Schluss: Wer es bis hier geschafft hat (vielen herzlichen Dank an der Stelle), und nun unschlüssig ist, ob so eine Leica M vielleicht eine gute Idee ist, sollte sie selbst mal in die Hand nehmen. Foto Erhardt bietet Euch diese Gelegenheit zum Beispiel in der Leica Boutique in unserer Filiale in Münster.

Und wenn wir ehrlich sind: Ist man erstmal verliebt, gibt man immer viel zu viel Geld aus, ohne es zu bereuen. Und das macht einem die Leica M10 sehr leicht.

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