03.01.2019

Die Sache mit der Leitzahl

„Als Leitzahl wird die Maßzahl bezeichnet, mit der die Lichtenergie eines Blitzgeräts angegeben wird“

Grau ist alle Theorie

Mit diesem Blitz damit begann das „Unheil“

So laut Wikipedia die Theorie. Leider ist diese Theorie nur allzu grau. Spätestens seit den 90er Jahren wird sie zudem von den Herstellern ausgehöhlt. Bis Mitte der 80er Jahre gab es nur Blitzgeräte ohne Zoomreflektor. Die Hersteller gaben mehr oder minder freiwillig die Leitzahl immer für die ISO 100 und eine Brennweite von 35mm an. Dann kamen Firmen wie Vivitar – den älteren von uns sicher noch bekannt als Hersteller der legendären Serie 1 Objektive – und brachten 1975 u.a. mit dem Vivitar 285 eines der ersten Blitzgeräte mit Zoomreflektor auf den Markt.
Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist auf die Angabe der Leitzahl als vergleichbarer Wert kein Verlass mehr! Das Vivitar 285 hatte (nur) eine effektive Leitzahl von 28 (bei ISO 100 und 35mm), aber in der Werbung und auf der Verpackung wurde eine Leitzahl von 36 (bei ISO 100 und 50mm) angegeben. Der Wettlauf von höher und weiter durch rechnerische Tricksereien hatte damit begonnen.

Laut oder unlauter?

Selbst Metz hört auf die Marketing-Abteilung, effektive Leitzahl bei 35mm ist 36, geworben wird mit Leitzahl 64 bei 200mm – wer blitzt mit 200mm? Auf der Website der Firma wir sogar folgendes angegeben: „Leitzahl 43 bei ISO 100 und 35 mm bzw. 50 mm“

In der Folge wurden dann Leitzahl-Angaben bei Brennweite 105mm und später gar 200mm angegeben. Mit den ersten Digitalkameras folgten Angaben bei ISO 200 statt ISO 100. Die Leitzahl verlor also dank der Kreativität der Marketingabteilungen der Hersteller  immer mehr an Aussagekraft. Als einer der letzten Hersteller schloss sich auch die deutsche Firma Metz als Marktführer diesem bunten Treiben an. Das Mecablitz 64 AF-1 lässt schon allein durch den Produktnamen vermuten es handle sich um ein Blitzgerät mit Leitzahl 64. Erst bei genauem Lesen wird klar, dass diese Leitzahl nur bei einem Leuchtwinkel für Brennweite 200mm erzielt wird. Bei 35mm und ISO 100 beträgt die Leitzahl eines der – laut Metz-Website – „leistungsstärksten Kompaktblitzgeräten der Welt“ exakt 36 – ein Wert den in den 80er Jahren nahezu jedes Blitzgerät erreicht hat. Andere Hersteller übertreiben es mit der öffentlich zur Schau gestellten Leitzahl sogar noch kräftiger und geben hier statt ISO 100 den Wert für ISO 200 an, dadurch erhöht sich die Leitzahl nochmals um einen Faktor von etwa 1.41. Ein Blitz mit Leitzahl 45 bei ISO 100 hat dann die Leitzahl 64 bei ISO 200.

„Die Ware will lackiert sein. Der Käufer mit ihr.“

Bei Nachfrage gab es dann die Antwort: die meisten Digitalkameras haben Sensoren mit einem ISO-Wert ab 200. Das war vor Jahren tatsächlich so, aber von den aktuell über hundert verschiedenen Digitalkameras mit Wechseloptik, die heute noch in den Schaufenstern und Läden zu finden sind, besitzen noch gerade mal sechs (in Zahlen 6) einen solchen Sensor. Trau schau wem ist in diesem Fall anzumerken. Im Zweifel hilft also nur ein Download der Bedienungsanleitung und selbst dort ist bei diversen Blitzgeräten mit den kuriosesten Herstellernamen oftmals keine exakte Vergleichstabelle der Leitzahl, zumindest was ISO und Brennweite angeht, zu finden. Mehr dazu in weiteren Verlauf dieses Beitrags.

Das Errechnen der Leitzahl

Wenden wir uns erst einmal der Berechnung der Leitzahl, der Entfernung und der einzustellenden Blende zu.

Die Formel – aus den Kindheitstagen der Fotografie – lautet Blende = Leitzahl durch Entfernung oder umgestellt Entfernung = Leitzahl durch Blende bzw. Leitzahl = Blende mal Entfernung. Diese eigentlich recht einfache Formel ist mit Einführung der sogenannten TTL-Blitztechnik teilweise nicht mehr in den Köpfen derer, die heute eine Kamera benutzen. Natürlich ist es nicht nur bei einem Vergleich verschiedener Blitzgeräte wichtig, die exakte Leitzahl (bei ISO 100 und 35mm) zu kennen, sondern auch um die eben angesprochene Grundformel beim Fotografieren sinnvoll anzuwenden.

ISO und Leuchtwinkel

Und wie erwähnt geben einige Hersteller die Leitzahl statt bei ISO 100 teilweise bei ISO 200 an. Um die Leitzahl vergleichen zu können muss bei einer Leitzahl, die bei ISO 200 angeben wird diese Leitzahl durch die Wurzel 2 (Quadratwurzel aus 2) teilen. So wird zum Beispiel bei einer angegebenen Leitzahl (bei ISO 200) von 48 eine Leitzahl (bei ISO 100) von ca. 34

48 / √2 = 33,94

Noch schwieriger wird es bei Angaben, die sich nicht auf die Leitzahl bei eingestelltem Leuchtwinkel für 35mm sondern bei einem Leuchtwinkel bei 105mm oder gar 200mm beziehen. Hier hilft zumeist nur in die Anleitung des Herstellers zu schauen, dort sind dann hoffentlich die Leitzahlwerte je nach Leuchtwinkel zu lesen.
In Foren sind manchmal Formeln zu lesen, die bei der Errechnung der Leitzahl helfen sollen. Ich habe aber leider keine gefunden, die für alle Hersteller gilt.

Ehrlich währt am …

Leitzahl 34 bei 35mm und ISO 100 (entspricht Leitzahl 26,8 bei 24mm – siehe Display)

Einige Hersteller besinnen sich heutzutage wieder an die ursprünglichen Messmethoden der Leitzahl. So werden zum Beispiel bei den neuen Blitzgeräten der Firma Nikon auf der Website des Herstellers die Angaben der Leitzahl vom aktuellem SB-5000 mit „Leitzahl (m, bezogen auf ISO 100): 34,5 (bei 35 mm); 55 (bei 200 mm), FX-Format“ angegeben. Auch beim alten SB-900 ist „Leitzahl (bei 20°C): 34 (ISO 100, m), 48 (ISO 200, m)“ zu lesen, das ist fair und verwirrt den Interessenten nicht. Na gut, mich hat die Angabe der Temperatur schon verwirrt.
Der direkte Mitbewerber geht leider einen anderen Weg, denn beim Speedlite 600 EX-RT war noch zu lesen „Leitzahl 60 (m, ISO 100, bei 200 mm)“ und beim Nachfolger Speedlite 600 II-RT ist auf der Website nur noch „Überzeugende Leistung mit Leitzahl 60 (m, ISO 100)“ zu lesen, der Hinweis auf die „200 mm“ wurde leider vergessen.
Die tatsächliche Leitzahl des Speedlite 600 EX beträgt übrigens 34 (bei 35mm), also die gleiche Leistung, die auch der Nikon Blitz besitzt. Sowohl Canon als auch Nikon sowie andere Kamerahersteller bauen selbstverständlich – wie auch Metz, Nissin und Cullmann hervorragende Blitzgeräte. Leider sind die Angaben der Leitzahlen nicht immer untereinander vergleichbar.

Ein frommer Wunsch

Ich wünsche mir, dass alle Hersteller wieder in sich gehen, das Marketing vergessen und zu den Leitzahl-Angaben aus der guten alten Zeit zurück kehren. Jedes, aber auch wirkliche jedes Blitzgerät verfügt über einen Leuchtwinkel von mindestens 64 Grad für 35mm Objektive, warum wird dann in der Werbung und auf der Verpackung nicht die Leitzahl bei 35mm und natürlich ISO 100 angegeben?
Foto Erhardt geht mit guten Beispiel voran und wird ab sofort bei allen im Online-Shop angebotenen Blitzgeräten die Leitzahl bei ISO 100 und Leuchtwinkel für 35mm angeben. Somit sind die Angaben im Foto Erhardt Onlineshop absolut vergleichbar und es kann zu keinerlei Irritationen mehr kommen. Wenn viele Händler diesem Beispiel folgen, macht die kreative Leitzahlangabe der Marketingabteilungen bald keinen Sinn mehr.

Nachtrag: internes Blitzgerät

Meine Kamera besitzt kein internes bzw. eingebautes Blitzgerät. Daher habe ich ganz vergessen zu erläutern wie stark diese Funzeln sind. Canon ist in diesem Fall sehr präzise und gibt zum Beispiel für die EOS 90D Leitzahl 12 bei ISO 100 und Leuchtwinkel 27mm an. Mit dem Kit-Objektiv 18-55 oder 18-135 kannst Du (bei offener Blende 3,5 und ISO 100) also immerhin 3,42 Meter ausleuchten. Erfinderisch ist hier Olympus. Bei der OM-D E-M10 wird die Leitzahl des internen Blitzes mit 8,2 (bei ISO 200) angegeben … dies entspricht 5,8 bei ISO 100 oder aber 1,66 Meter Blitzreichweite bei Blende 3,5. Vorausgesetzt die Leitzahl wurde für einen Leuchtwinkel von 28mm angegeben, denn die mft-Kitobjektive beginnen bei 14mm (dies entspricht 28mm verglichen mit Kleinbild). Leider fehlt diese Angabe bei den technischen Daten. Schlimmer geht immer, das interne Blitz der neuen Panasonic GX9 hat eine Leitzahl von 4,2 bei ISO 100. Somit wird (bei ISO 100) alles bis zu einer Entfernung von 1,2 Metern perfekt ausgeleuchtet.

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