15.02.2019

Canon EOS RP – der kleine Bruder der EOS R

Auf den einschlägigen Rumors-Seiten wurde lange Zeit vermutet, dass es sich bei der neuen Canon EOS RP um eine professionelle Version der Canon EOS R handelt. Spätestens seit der Vorstellung gestern früh um 5 Uhr deutscher Zeit ist klar: die Canon EOS RP ist eine spiegellosen Vollformat-Kamera, die eher auf die breite Masse zielt. Denn das „P“ im Modellnamen steht für „Popular“, direkt aus dem japanischen übersetzt exakt „für alle“.

Kleinste und leichteste Vollformatkamera aller Zeiten

Canon ist schon einmal ein großer Wurf gelungen, als sie mit der EOS 6D die erste halbwegs bezahlbare Vollformat-Spiegelreflexkamera vorgestellt haben. Mit diesem Highlight, das im Januar 2013 auf den Markt kam, interessierten sich auf einmal sehr viele Fotografen für das Vollformat. Mit der EOS RP möchte Canon nun auch bei den spiegellosen Vollformat-Kameras ähnlich erfolgreich sein. Das japanische Unternehmen ist überzeugt, dass viele Inhaber einer APS-C-Kamera (wie z.B. der Canon EOS 90D oder der Canon EOS M50) großes Interesse an einer fortschrittlichen, modernen Kamera mit Vollformatsensor haben, wenn diese bezahlbar und nicht so überladen, groß und schwer wie die kürzlich vorgestellte EOS R ist.

Die neue EOS RP platziert sich somit auf Augenhöhe mit der Canon EOS 6D Mark II, während die EOS R eher mit der Canon EOS 5D Mark IV vergleichbar ist. Der kleine Bruder EOS R hat somit was die technischen Daten, die Features und die Verarbeitung sehr viel Ähnlichkeit mit der EOS 6D Mark II. Und … sie ist die derzeit kleinste und leichteste Vollformatkamera aller Zeiten ist.

Die Technik

Auch in der EOS RP steckt der neue Digic 8 Prozessor, doch der Sensor hat 26,2 Millionen Pixel. Im Grunde ist der Sensor aus der EOS 6D Mark II an die Besonderheiten einer spiegellosen Systemkamera angepasst und leicht modifiziert.

Dementsprechend hat die EOS RP die gleiche ISO-Werte von 100-40.000 (erweiterbar auf 102.400) und das Dual Pixel CMOS Autofokus. Sie fokussiert bis auf -5EV und besitzt laut Canon mit 0,05 Sekunden die schnellste AF-Geschwindigkeit der Welt. Die AF-Abdeckung ist gigantisch und sie besitzt 4779 Autofokuspositionen – die bei Verwendung der Auto-AF-Funktion in 143 Zonen unterteilt sind.

Der Servo AF unterstützt nun Face Tracking mit Eye AF und überflügelt somit sogar den großen Bruder. Auch der Single Point Spot AF wurde wurde von der EOS 6D Mark II übernommen.

Die Videofunktion ist auf 4K mit bis zu 25 Bildern pro Sekunde beschränkt. Bei FullHD 1080p kann sie allerdings bis zu 60 Bilder/s aufnehmen und dies sogar mit Dual Pixel.

Die  Features der EOS RP

Da die Canon EOS RP als Einstiegsversion der EOS R konzipiert wurde verfügt sie über alle Features, die ein Hobby- und Freizeitfotograf gern haben möchte. Allerdings ist sie die erste Canon Kamera mit einer Focus Bracketing Funktion, ein Feature, das Canon bisher den Mitbewerbern überlassen hatte und das Makrofotografen nicht missen möchten.

Es handelt sich dabei um einen halbautomatischen Fokussiermodus, bei dem Du der Kamera vorgibst, wie viele Bilder Du aufnehmen möchtest, und dann verschiebt die Kamera automatisch den Fokuspunkt von Aufnahme zu Aufnahme. Das Ergebnis ist eine Reihe von Bildern, die zur Erweiterung der Tiefenschärfe zusammengeführt werden können, wobei die EOS RP dies leider nicht automatisch und selbstständig in der Kamera tut. Du musst dafür die aktuellste Version der Software Digital Photo Professional herunterladen, die dann aus der Reihe von Bildern ein Bild mit sehr großer Tiefenschärfe erstellt.

Die EOS RP hat, ebenso wie die EOS R, keine Bildstabilisierung im Gehäuse. Sie verwendet aber die Dual Sensing IS-Technologie von Canon, welche in Verbindung mit dem CMOS-Sensor und dem Digic 8 Prozessor – in Verbindung mit den neuen Canon HF-Objektiven – die Bewegung des Objektes erfasst und somit für eine verwacklungsfreie Aufnahme aus der Hand sorgt.

Laut Canon ist durch das Dual Sensing IS eine um fünf Stufen längere Belichtungszeit aus der Hand möglich.

Die Haptik

Das wohl Beeindruckendste an der Canon EOS RP ist das kleine und leichte Gehäuse. Mit einem Gewicht von nur 485g (inklusive Akku und Speicherkarte) ist sie 175 g leichter als die EOS R und 280 g leichter als die EOS 6D Mark II.

Selbst eine Canon EOS 800D wiegt mit Akku und Speicherkarte 532g und ist mit 131,0 x 99,9 x 76,2mm viel dicker als die mit 132,5 x 85 x 70mm stromlinienförmige EOS RP.

In Kombination mit einem geeigneten Objektiv, wie dem RF 35mm f/1.8 IS Macro STM oder einem EF 50mm f/1.8 STM mit dem EF-EOS R Mount Adapter, fühlt sich die Kamera in der Hand fast an wie ein Fujifilm X oder eine Olympus OM-D an. Gerade und besonders für größere Hände ist die Haptik der Kameras  mit einem Canon RF 50mm f/1.2L oder dem 28-70mm f/2L ziemlich unausgewogen. Hier passt dann – zumindest für mich – das Gewicht der Optik nicht mehr so recht zum leichten, kompakten Gehäuse. Aber so etwas ist wie so vieles Geschmacksache.

Für solche großen und schweren Objektive gibt es für die EOS RP den optionalen Handgriff EG-E1. Dieser gleicht meiner Meinung nach das Missverhältnis dann etwas aus.

Der Sucher

Der elektronische Sucher der EOS RP besitzt 2,36 Millionen Bildpunkten und eine Größe von 0,39 Zoll. Er wurde von der EOS M50 übernommen und funktioniert perfekt, obwohl er etwas kleiner als der in der EOS R ist. Zum Glück hat Canon den voll bedienbaren Touchscreen beibehalten. Dieser ist mit drei Zoll und einer Million Bildpunkten zwar nicht so hochgezüchtet ist wie der im großen Bruder, aber wirkt subjektiv ein wenig reaktionsschneller.

Einige mit der EOS R eingeführten Tasten und das Schulterdisplay sind an der EOS RP nicht zu finden oder wurden durch traditionelle Moduswahlschalter ersetzt. Dadurch wird Platz eingespart und das Fotografieren ein klein wenig intuitiver gestaltet.

Leider fiel auch der Sensorschutz beim Objektivwechsel der Kosten- und Gewichtsoptimierung zum Opfer.

Unfairer Vergleich?

Ein Vergleich zur EOS R oder gar Nikon Z6 ist aufgrund der anvisierten Zielgruppe nicht fair. Verglichen mit der EOS 6D Mark II schneidet die RP aber was Bildqualität und Rauschverhalten angeht rein visuell sehr gut ab.

Der Digic 8 Prozessor gibt der Kamera noch mal spürbare mehr Schwung. Aber sie wird mit 4 Bilder pro Sekunde (bei Servo AF) bzw. 5 Bildern pro Sekunde (bei OneShot AF) sicher keinen Preis in Sachen Geschwindigkeit gewinnen und auch die 50 Raw-Bilder in Folge (bevor die Kamera die Geschwindigkeit runterregelt) werden engagierten Fotografen sicher nicht zu Freudensprüngen veranlassen. Unter Berücksichtigung des Preises und der Zielgruppe sind diese Werte doch recht moderat.

Ein kleines Manko ist der Verlust des Dual Pixel CMOS AF bei Videos in 4K selbst bei nur 25 Bilder/s. Echte Videofilmer können allerdings Focus Peaking bei manuellem Fokus verwenden.

Die Akkulaufzeit ist ein weiterer negativer Punkt bei der Kamera. Bereits bei 250 Aufnahmen ist ein voll aufgeladener Akku leer. Gut, ein Akkus kann mit einer Powerbank per USB-Quelle direkt in der Kamera aufgeladen werden, aber Mitbewerber oder ältere Kameras wie die Canon EOS  77D oder 800D/T7i kommen auf knapp 600 Aufnahmen. Von den 1200 Aufnahmen mit einer Canon EOS 6D Mark II mag ich gar nicht reden.

Mein Fazit

Wir haben hier eine Allerweltskamera und dies meine ich nun im positiven Sinn. Die Canon EOS RP kann und wird keine „Kamera für alle“ sein, aber sie ist massentauglich. Sicherlich werden einige dies und jenes vermissen oder kritisieren, aber die breite Masse wird sich an dem extrem kleinen und leichten Gehäuse erfreuen und den Sprung ins Vollformat wagen. Mit der EOS RP bekommst Du eine moderne, kompakte Kamera mit allen Vorteilen der spiegellosen Ära und sie wird den Untergang der SLR-Kameras nochmal etwas beschleunigen.

Sie ist eine leistungsfähige spiegellose Vollformatkamera für jene, die auf einen größeren Sensor (mit deutlich mehr Dynamikumfang und Freistell-Potential) umsteigen möchten und dabei die Größe und das Gewicht der APS-C-Kameras, die sie derzeit verwenden, zumindest beibehalten  wollen. Ganz sicher ist sie nicht für jeden die perfekte Kamera, aber für einige – vor allem was das Preis-/Leistungsverhältnis angeht – sicherlich. Denn sie ist ausgesprochen preiswert und dabei nicht billig verarbeitet und genau daher wird sie ein deutlich breites Publikum ansprechen als die Vollformatkameras der Mitbewerber. Und hier schließt sich der Kreis zu EOS 6D.

Meine Meinung: Canon wird sein Ziel erreichen.

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